Ilham Khaskiyeh und ihre drei Kinder haben einen großen Schritt für ein Leben in Deutschland geschafft. Das Kirchenasyl ist vorüber, nun läuft das Asylverfahren. Die Familie aus dem Libanon lebt in einer Unterkunft für Asylbewerber im pfälzischen Grünstadt an der Weinstraße. "Jetzt will ich Deutsch lernen und arbeiten", sagt die alleinstehende Frau, die mit ihren minderjährigen Kindern einen langen Leidensweg hinter sich hat, in fließendem Englisch.
Zwei Monate und drei Tage lang fanden die 46-jährige Libanesin und ihre Kinder Mohammed (17), Rihan (15) und Jihan (11) Schutz im Gemeinderaum der protestantischen Kirchengemeinde im etwa 20 Kilometer entfernten Maxdorf. Der kleinen Flüchtlingsfamilie, die vor zwei Jahren über Italien nach Deutschland einreiste, drohte die Rückführung dorthin. "Wir fühlen uns hier in Sicherheit und leben in Frieden", sagt Ilham Khaskiyeh, "wir können nicht zurückgehen."
Beschämt erzählt die ehemalige Büroleiterin, die auch für die Vereinten Nationen arbeitete, warum sie ihre Heimat verlassen musste: Dort sei sie zahlreichen Anfeindungen und auch gewaltsamen Übergriffen ausgeliefert gewesen. Sie flüchtete mit ihren Kindern per Schiff nach Italien. Die Behörden hätten sie dort in einem abgelegenen Bergdorf in unhaltbaren Zuständen untergebracht, sagt Khaskiyeh: "Es gab kaum zu essen und zu trinken." Als eine ihrer Töchter krank wurde, habe es keine ärztliche Hilfe gegeben.
In ihrer Verzweiflung machte sich die Familie auf den Weg nach Deutschland, die Behörden wiesen ihr schließlich eine Wohnung in einem Flüchtlingswohnheim in Grünstadt zu. Schnell integrierten sich die Libanesen in die Stadtgemeinschaft, die Kinder fanden Freunde und besuchen seither das örtliche Gymnasium. Doch dann drohte ihnen die Rückführung in das Erstaufnahmeland Italien.
Schülerschaft demonstriert für Bleiberecht
Die evangelische und katholische Kirche in der Region organisierten daraufhin ein Kirchenasyl in der Kirchengemeinde Maxdorf. Die "Leininger Initiative Gegen Ausländerfeindlichkeit" (LIGA) bestand beratend zur Seite. Zahlreiche Kirchengemeinden sammelten Spenden für den Lebensunterhalt der Familie, eine fünfköpfige Helfergruppe kümmerte sich um sie. Die Schülerschaft des Grünstadter Gymnasiums demonstrierte mit Plakaten auf der Straße, damit ihre Mitschüler nicht abgeschoben werden: "Wir lieben Euch!"
Das Kirchenasyl solle Flüchtlingen bei drohender Abschiebung als "letzter, legitimer Versuch" einen zeitlich befristeten Schutz gewähren, erläutert Helmut Guggemos, der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche der Pfalz. Ziel sei es, dass die Ausländerbehörden erneut sorgfältig deren Situation prüften: Bei humanitären Härten könnten Flüchtlinge dann auf ein neues Asylverfahren oder ein Bleiberecht hoffen.
90 Prozent der Kirchenasyle sind "Dublin-Fälle"
Vor 40 Jahren gewährte eine evangelische Kirchengemeinde in Berlin das erste Kirchenasyl in Deutschland. Das "kleine Schutzelement Kirchenasyl" habe seither vielen Tausend Menschen das Leben gerettet, informiert die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche mit Sitz in Berlin. Zurzeit seien 511 Kirchenasyle mit 786 Personen bekannt, 154 davon Kinder.
90 Prozent der Kirchenasyle seien sogenannte Dublin-Fälle, bei denen Flüchtlingen eine Rückführung in ein europäisches Erstaufnahmeland droht.
Beim Kirchenasyl, das Gemeinden den Ausländerbehörden melden müssen, handeln die Kirchen in einer rechtlichen Grauzone: Der Staat toleriert es, kann es aber auch beenden, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) dafür keine Grundlage sieht. Immer wieder gibt es in Deutschland Abschiebungen aus dem Kirchenasyl, Strafverfahren gegen kirchliche Amtsträger und Durchsuchungen in Pfarrhäusern.
Unverständlich ist es für Bernd Frietsch, den Sprecher der LIGA in Grünstadt, dass Ilham Khaskiyeh und ihre Familie als traumatisierte Schutzbedürftige nach Italien abgeschoben werden sollten. Das Bundesamt habe es trotz nachgewiesenem Härtefall abgelehnt, das Asylverfahren in Deutschland durchzuführen. Als Reaktion auf das erfolgreiche Kirchenasyl sei die Familie zudem in einer deutlich schlechteren Wohnung untergebracht worden, kritisiert er. Ein Leben in Italien oder gar in ihrem Heimatland wäre für die Khaskiyehs unzumutbar, ergänzt Pfarrer Stefan Fröhlich aus Maxdorf, in dessen Gemeindehaus die Familie wohnte.
Mohammed, Rihan und Jihan sind froh, dass ihr Asylverfahren jetzt in Deutschland läuft und sie wieder die Schule besuchen können. Während des Kirchenasyls hätten sie Schulkameraden online mit den Hausaufgaben versorgt, berichten sie. Mohammed will nach dem Abitur Elektrotechnik studieren, Rihan träumt davon, Kriminalkommissarin zu werden, und das "Küken" Jihan "weiß noch nicht so recht", was sie nach der Schule einmal machen will.
Dankbar sind die vier Khaskiyehs für das Kirchenasyl - auch wenn es sich manchmal "wie ein Gefängnis" anfühlte, wie Mohammed sagt. "Ohne die Kirchen wäre meine Zukunft in Sicherheit unmöglich."