Foto: epd-bild/H.-D. Falkenstein
Disibodenberg: Streit um Hildegards ehemalige Heimat
Die Klosterruine auf dem Disibodenberg in Bad Sobernheim an der Nahe ist ein gerade mystischer Ort. Dort lebte einst die heilige Hildegard (1098-1179), die am Sonntag zur Kirchenlehrerin erhoben wird. Doch der Hügel hat in den vergangenen Wochen für reichlich Negativschlagzeilen gesorgt.
06.10.2012
epd
Karsten Packeiser und Marlene Grund

Der Disibodenberg, einer der sanften Hügel im Nahetal, war 38 Jahre lang die Heimat der Hildegard von Bingen (1098-1179). Vor den Mauerresten des ehemaligen Frauentraktes, ihrem Wohnort, wachsen heute Rosen - die einzigen auf dem Gelände. Ansonsten haben die Bäume die Bergkuppe mit den Fragmenten der beeindruckenden Klosteranlage zurückerobert. Sie ragen in der ehemaligen Abteikirche auf, deren Grundriss erhalten wurde, im Hospiz und Kreuzgang, im Versorgungs- und Laientrakt und der Kapelle.

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Der Besucher findet heute einen Erinnerungsort vor, der vor allem die Vergänglichkeit allen menschlichen Tuns ins Bewusstsein bringt. Das ruft beim Gang durch die Ruinen des Klostergeländes ein Gefühl der Melancholie hervor, an Wochenenden mit schönem Wetter kann es auf dem verwunschenen Hügel allerdings auch recht voll werden - besonders wenn mehrere Reisebusse gleichzeitig vorfahren. Zwischen den Ruinen sitzen dann die Teilnehmer eines Kirchengemeinde-Ausflugs und singen zu Gitarrenklängen fromme Lieder, während keine 50 Meter entfernt Frauen mit wuscheligen langen Haarschöpfen und keltisch inspirierten Kleidern ihre Hände gen Himmel ausbreiten und kosmische Energien aufsaugen.

Mit der Aufgabe überfordert

In den vergangenen Wochen sorgte der Hügel an der Nahe weit über die Grenzen von Rheinland-Pfalz hinaus für reichlich Zeitungsschlagzeilen - allerdings nicht nur wegen der bevorstehenden Erhebung Hildegards zur Kirchenlehrerin: Die zum Erhalt des Geländes und zur Einrichtung eines Museums von der Eigentümerfamilie gegründete private Scivias-Stiftung ist mittlerweile mit dieser Aufgabe überfordert. Das Vorstandsehepaar möchte seine Energie lieber für das unterhalb des Hügels gelegene Weingut verwenden und hält zudem nicht allzu viel von einem übermäßigen Hildegard-Rummel. 

"Wir wollen diesen mystischen, christlichen Ort nicht beschädigen", sagte Stiftungsvorstand Matthias Adams. Auf wenig Verständnis stieß allerdings seine Entscheidung, das mit gut 300.000 Euro Landesmitteln gebaute Besucherzentrum entgegen vertraglicher Verpflichtungen zu schließen, weil die Stiftung kein Geld mehr für eine Aufsicht hatte. Für zusätzliche Aufregung sorgte zuletzt die Nachricht, dass der "Scivias"-Vorstand das Grundstück mit dem Museum wegen Formfehler im ursprünglichen Vertrag an die Vorstandsfamilie, also an sich selbst, zurückübertragen hatte.

Museum mit eingeschränkten Öffnungszeiten

Inzwischen prüft die Stiftungsaufsicht in Trier dieses Vorgehen. Das Land könnte wegen der undurchsichtigen Verhältnisse seine Zuschüsse zurückfordern. Nachdem die oppositionelle Landes-CDU das Thema zum Politikum machte, berief das Kulturministerium inzwischen einen Runden Tisch mit allen Beteiligten ein. Nach etlichen Medienberichten wurde das Museum inzwischen mit eingeschränkten Öffnungszeiten wiederbelebt und die Kontrahenten vor Ort sprechen wieder miteinander. Das Verhältnis zwischen Lokalpolitik, dem örtlichen Förderverein und der Scivias-Stiftung galt zuletzt als zerrüttet.

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Ein Besuch der bei Christen wie Esoterikern gleichermaßen geliebten Ruine stellt tatsächlich bis heute für niemanden ein Problem dar. Die meisten Einheimischen kennen ohnehin die Schleichwege, auf denen Besucher am defekten Kassenautomaten vorbei auf das Gelände gelangen können. Dort stehen längs des Rundwegs um die vor 1.000 Jahren gegründete Klosteranlage Tafeln mit Gedanken der berühmten Mystikerin Hildegard: "Hüte dich, das Gute im Geist oder im Werk so zu tun, als stamme es von dir. Schreibe es vielmehr Gott zu, von dem alle Kräfte ausgehen wie Funken vom Feuer."