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Sonntag, 23. April, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Love is Pain"
Die spannende und immer unvorhersehbare Geschichte rund um einen unheimlichen Serienmörder und eine Ermittlerin mit außergewöhnlichen Fähigkeiten überzeugt durch darstellerische Leistung und ungewöhnliche Optik.

Der Mann ist ein paradoxes Phantom. Seine Taten begeht er ganz bewusst in aller Öffentlichkeit: Nach den Morden posiert er vor einer Überwachungskamera und deutet mit dem Zeigefinger auf sein rechtes Auge; anschließend verschwindet er komplett vom Radar. Schon allein diese Ebene macht "Love is Pain" (Liebe ist Schmerz") zu einem besonderen Krimi, zumal das Dortmunder Trio diesmal von einer Frau unterstützt wird, die als "Super-Recognizer" gilt: Sie ist besser als jede Gesichtserkennungs-Software in der Lage, Menschen aus dem Gewimmel der Überwachungsbilder herauszupicken.

Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger), der während der Auszeit von Faber (Jörg Hartmann) die kommissarische Leitung der Mordkommission übertragen worden ist, macht sich die Fähigkeiten von Beate Gräske (Sar Adina Scheer) auch für die Suche nach ihrer untergetauchten RAF-Mutter zunutze.

Ohnehin verknüpft das bereits für die Gangster-Serie "4 Blocks" vielfach ausgezeichnete und soeben mit dem Grimme-Preis für die Netflix-Serie "Kleo" geehrte Autorenduo Bob Konrad und Hanno Hackfort bei seinem "Tatort"-Debüt die Fäden der letzten Episoden geschickt mit dem aktuellem Fall: Pawlak (Rick Okon) ist nicht ganz bei der Sache, weil ihm die Schwiegermutter das Sorgerecht für seine Tochter entziehen will, und Faber hat die Ermordung von Martina Bönisch immer noch nicht verkraftet.

Wie sehr die Trauer nach wie vor an ihm nagt, verdeutlicht eine in betörend schönes Licht getauchte Kirchenszene mit einem Kerzen- und Blumenmeer. Die Gerüchte, dass Herzog Chefin bleiben könnte – auf ihrer Kaffeetasse steht unübersehbar "The Boss" – lassen ihn dagegen kalt.

Im Zentrum der Geschichte steht jedoch die Jagd nach dem Phantom. Der Film beginnt mit der Ermordung eines Straßenbahnfahrers; der Mann wird regelrecht abgestochen. Kurz drauf folgt eine zweite Tat; diesmal stirbt ein Barbesitzer. Auf der Suche nach einer Verbindung zwischen den beiden Opfern stellt sich raus, dass sie gemeinsam mit einem anderen einst eine Jugend-Gang gebildet haben.

Weil dieser Dritte nun als dringend tatverdächtig gilt, stürmt Faber mit einem SEK die Wohnung, aber das einzige, was er erntet, ist die berechtigte Empörung einer Mutter: Der Gesuchte befindet sich seit einem Unfall vor sechs Jahren im Wachkoma. Ausgerechnet dieser peinliche Fehlschlag führt das Team jedoch auf die richtige Spur; plötzlich erscheinen nicht nur die Taten, sondern auch der Täter (Nils Hohenhöfel) in einem ganz anderen Licht.

Neben der fesselnden und zu keiner Zeit vorhersehbaren Handlung sowie den rundum überzeugenden darstellerischen Leistungen beeindruckt "Love is Pain" nicht zuletzt durch die ungewöhnliche Optik. Weil sich die von Faber kurzerhand in "Super-Woman" umbenannte Kollegin durch Kaskaden von Überwachungsbildern arbeitet, hat Regisseurin Sabine Bernardi die typischen grobkörnigen Videoaufnahmen immer wieder in den Film integriert.

Das sorgt zudem für weitere Spannung, als Gräske plötzlich erkennt, dass Herzog anscheinend von dem Mörder verfolgt wird. Der Mann hat zuvor schon Pawlak provoziert und sich außerdem vor dem Präsidium rumgetrieben. Endlich geht dem Trio ein Licht auf: Der Fingerzeig Richtung Auge ist eine Aufforderung, genau hinzuschauen. Offenbar befindet sich der Mann auf einem Rachefeldzug. Zur Clique von einst gehörte auch eine junge Frau (Johanna Polley); sie wird aller Voraussicht nach das nächste Opfer sein.

Regie führte Sabine Bernardi, die zuletzt für das ZDF "Auf dünnem Eis" (2021) gedreht hat, ein bedrückendes Drama mit Julia Koschitz als Köchin, die sich um einen Obdachlosen kümmert und dabei selbst den sozialen Boden unter den Füßen verliert; davor hatte sie, ebenfalls fürs ZDF, die dritte Trilogie der "Ku’damm"-Saga inszeniert ("Ku’damm 63", 2021).

Viele gestalterische Momente standen vermutlich bereits im Drehbuch, etwa die gelegentlichen Kamerablicke auf Bönischs verwaisten Schreibtisch, aber die Meriten für die optische Umsetzung gebühren ihr sowie dem mehrfach ausgezeichneten Kameramann Philipp Sichler (Grimme-Preis für "Das weiße Kaninchen", 2017).

Allein der Aufwand für die vielen eigens für den Film entstandenen Aufnahmen der Überwachungskameras ist enorm, zumal die sonstigen Stadtbilder mit ihren knalligen Postkartenfarben einen reizvollen Kontrast bilden. Die elektronische Musik von Dürbeck & Dohmen passt perfekt zu dieser Atmosphäre einer scheinbar allumfassenden Überwachung. Umso rätselhafter ist das spurlose Verschwinden des Mörders: als würde er sich nach getaner Tat eine Tarnkappe aufsetzen.