In der Debatte über die Rechtfertigung von Waffenlieferungen an die Ukraine plädiert der Theologe und Ethiker Friedrich Lohmann für eine militärische Unterstützung und spricht sogar von einer Pflicht dazu. Im Fall der völkerrechtswidrig angegriffenen Ukraine lasse sich gut begründen, "dass es hier eine Pflicht zur Nothilfe gibt, sofern sie den Rahmen der Verhältnismäßigkeit einhält", sagte der evangelische Theologieprofessor von der Universität der Bundeswehr in München. "Die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine fallen klar unter diese Pflicht", ergänzte er.
Lohmann verwies auf das von ihm mitverfasste Papier "Maß des Möglichen", das sich, initiiert von der evangelischen Militärseelsorge, mit der Friedensethik beschäftigt. Darin setze man sich kritisch auseinander mit den "fast schon zu einem Mantra gewordenen Beschwörungen evangelischer Friedensethik, man werde bei jedweder Reaktion auf die russische Invasion schuldig und befinde sich in einem unauflöslichen Dilemma".
"Die Rede von einem moralischen Dilemma setzt voraus, dass es bei zwei Handlungsalternativen keine gibt, die ethisch für gut geheißen werden kann", sagte er. Bei der Frage nach Unterstützung der Ukraine sieht Lohmann dies nach eigenen Worten nicht. Ein Dilemma erkennt er aber bei der Frage nach nuklearer Abschreckung.
Die evangelische Militärseelsorge hatte im Februar das mehr als 60-seitige Papier zur Friedensethik unter dem Titel "Maß des Möglichen" veröffentlicht. Darin plädiert sie für eine Friedensethik, "die an den sicherheitspolitischen und soldatischen Herausforderungen nicht vorbeigeht".
Mehrheit rechtfertigt militärische Unterstützung
Die Autoren betonen, dass es kirchlicher Kernauftrag sei, das Bewusstsein dafür wachzuhalten, dass bewaffnete Gewalt äußerster Notfall und Ausnahmezustand sei. Gleichzeitig bezeichnen sie es als "entscheidend", für das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung und die Anerkennung der Pflicht zur Nothilfe einzutreten.
Innerhalb der evangelischen Kirche gibt es seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine eine rege Debatte über friedensethische Positionen. Die Mehrzahl von Verantwortungsträgerinnen und -trägern rechtfertigt die militärische Unterstützung des angegriffenen Landes. Einzelne prominente Gesichter wie der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Friedrich Kramer, und die frühere Ratsvorsitzende Margot Käßmann lehnen mit Verweis auf die Bibel Waffenlieferungen ab.
Debatte auch für Bundeswehr wichtig
In der Vielstimmigkeit der evangelischen Kirche in der Frage der Waffenlieferungen sieht der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Ekkehard Brose, ein Problem. Er wisse dadurch nicht, wo die evangelische Kirche stehe, sagte er bei der Diskussion des Papiers am 13. April. Wenn die Kirche in der Diskussion relevant sein wolle, sollte sie "eine klare Meinung haben", sagte er.
Der Kommandeur der 10. Panzerdivision, Generalmajor Ruprecht von Butler, sagte, er glaube nicht, dass es der evangelischen Kirche gelingen wird, ein Papier herauszugeben, mit dem alle einverstanden sind. Er erwarte aber, dass es wenig Verständnis für die russische Seite gebe. Butler, der Mitglied der EKD-Synode ist, wendete sich zugleich gegen radikalpazifistische Positionen. Wenn man sage, "Ich wende nie Gewalt an und lasse mich lieber erschießen", heiße das auch, dass man zulasse, dass der Nachbar erschossen werde. Da könne er nicht mitgehen.
Der EKD-Militärbischof Bernhard Felmberg sagte, die Militärseelsorge sei nicht der automatische Ort für die friedensethische Debatte. Zuständig sei man vor allem für die Begleitung der Soldatinnen und Soldaten. Auch ihretwegen sei die Debatte über die Friedensethik aber wichtig. Deswegen habe man einen eigenen Beitrag dazu vorgelegt.