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1. April, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Ein Schritt zum Abgrund"
Das vierteilige Drama basiert auf der BBC-Serie "Doctor Foster". Der deutsche Titel, "Ein Schritt zum Abgrund", klingt zwar wesentlich plakativer, ist aber sogar noch untertrieben, denn was Jana Hansen erlebt, ist ein Totalabsturz. Alle Folgen "Der Verdacht", "Die Lüge", "Die Täuschung" und "Die Falle" werden hintereinander gezeigt, sodass Raum bleibt, um alle emotionalen Tiefen der Hauptdarstellerin auszuloten.

Der erste Schritt Richtung Abgrund ist ein langes blondes Haar, das die brünette Husumer Ärztin (Petra Schmidt-Schaller) auf dem Schal ihres Mannes findet. Die Entdeckung öffnet ihr die Augen. Als Leiterin einer Gemeinschaftspraxis hat sie alle Hände voll zu tun und war entsprechend abgelenkt, aber plötzlich fallen ihr diverse Ungereimtheiten auf, die sie bis dahin nicht wahrgenommen hat. Schließlich wandelt sich der Verdacht zur Gewissheit: Christian (Florian Stetter), Mitte vierzig, hat eine Affäre mit einer Studentin, Laura (Valerie Huber), die seine Tochter sein könnte. Typisch Midlife Crisis, beruhigt Praxispartnerin Pari (Neda Rahmanian) die Freundin: Das geht vorbei. Damit könnte Jana womöglich tatsächlich leben, aber weil Christian alles abstreitet und immer tiefer in seinem Lügensumpf versinkt, fühlt sie sich doppelt betrogen. Als sie im Rahmen einer Untersuchung Lauras, die eigentlich Paris Patientin ist, einen Schwangerschaftstest macht, werden die Karten erst recht neu gemischt. Jana will einen Schlussstrich ziehen und hinter Christians Rücken die Scheidung einleiten, doch nun stößt sie auf ein Geheimnis, das ihre komplette Zukunft infrage stellt.

Die ARD zeigt "Ein Schritt zum Abgrund" am Stück, und das ist auch gut so, denn Drehbuchautorin Britta Stöckle hat ihre Adaption als Drama in vier Akten à 45 Minuten konzipiert. Die Handlung wird zwar fortlaufend erzählt, aber die Viertelung ist dennoch dramaturgisch angemessen, wie die jeweiligen Titel signalisieren: "Der Verdacht", "Die Lüge", "Die Täuschung", "Die Falle". Sicherlich hätte sich die Geschichte auch als Neunzigminüter erzählen lassen, aber dank der doppelten Sendezeit können Stöckle und Regisseur Alexander Dierbach alle emotionalen Untiefen, die Jana innerhalb kürzester Zeit durchlebt, ausloten. Streckenweise wirkt die Miniserie fast wie eine Fallstudie, zumal verschiedene Ereignisse am Rande für zusätzliche Belastung sorgen: Weil Jana eine psychisch angeknackste Patientin mit einer brachialen Maßnahme vor ihrem gewalttätigen Partner beschützt hat, droht ein Verfahren vor der Ärztekammer, und dann gerät sie auch noch in Verdacht, Christians krebskrankem Vater (Hermann Beyer) Beihilfe zum Suizid geleistet zu haben. 

Auf den ersten Blick erwecken diese Nebenschauplätze den Anschein, als würden sie vom Handlungskern wegführen. Tatsächlich liefern sie jedoch weitere Mosaiksteine für das sorgfältig durchdachte Psychogramm der Hauptfigur: Jana will sich nicht als Opfer ins Klischee der betrogenen Ehefrau fügen. Deshalb lässt all’ ihr Ungemach die Geschichte schließlich in eine Tragödie kulminieren, weil sich Jana wie einst die vom Gatten verstoßene Rache-Ikone Medea zur Göttin des Gemetzels wandelt; wenn auch nur bildlich gesprochen. Die Vorschlussszene, in der sie beim Abendessen mit Lauras ahnungslosen Eltern (Anna Loos, Oliver Stokowski) eine Bombe nach der anderen platzen lässt, bereitet den Boden für das eigentliche Finale, in dem der Gatte das Schlimmste befürchten muss; immerhin hat Medeas Zorn einst selbst vor ihren eigenen Kindern nicht Halt gemacht. 

Nun zeigt sich auch, welche Bewandnis es mit den Zeilen aus der Tragödie "Die trauernde Braut" von William Congreve auf sich hat, die Jana mehrfach aus dem Off zitiert: "Der Himmel kennt keinen Zorn so mächtig wie in Hass umgeschlagene Liebe." Darauf bezieht sich auch der englische Titelzusatz "A Woman Scorned": "Die Hölle selbst kann nicht wüten wie eine verschmähte Frau." Petra Schmidt-Schaller ist 2021 als beste Schauspielerin für ihre Rolle als Ermittlerin in dem ARD-Mehrteiler "Die Toten von Marnow" mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet worden; sie verkörpert die wenigen Höhen und vielen Tiefen, die Jana durchlebt, erneut preiswürdig. Das Ensemble ist ohnehin ausnahmslos ausgezeichnet. Eine besondere Erwähnung verdient Tilda Wunderlich als Tochter, weil sie auch die Herausforderung der schwierigen emotionalen Dialoge ausgezeichnet meistert. 

Britta Stöckle hat die Vorlage nicht eins zu eins in deutsche Verhältnisse übertragen und einige Figuren mutig verändert, aber der entscheidende Unterschied zur BBC-Serie ist der nordfriesische Schauplatz: Der regelmäßige Blick aufs Watt hat erheblichen Anteil an der besonderen Atmosphäre der deutschen Produktion. Diese Momente sind über weite Strecken die einzigen, in denen die Kamera nicht bei Jana bleibt; Christians Perspektive kommt erst im dritten Akt ins Spiel. Dierbach hat viele gute Krimis gedreht, darunter einige vorzügliche "Helen Dorn"-Episoden. Dass er darüber hinaus ein ausgezeichneter Drama-Regisseur ist, hat er unter anderem zuletzt mit "Wo ist die Liebe hin" (2022) bewiesen; auch dies ein Ehedrama, in dem ein harmonisches Verhältnis in kürzester Zeit auseinander bricht. 

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