Markus Beile: Erneuern oder untergehen
Ein streitbares Plädoyer für ein Ankommen von Gemeinde, Kirchenorganisation und Theologie in der Spätmoderne.
Die evangelischen Kirchen Deutschlands und der Schweiz stehen nach Überzeugung Markus Beiles angesichts ihres zunehmenden Bedeutungsverlustes vor der Aufgabe eines fundamentalen Erneuerungsprozesses. Dieser dürfe sich nicht in Strukturreformen erschöpfen, sondern müsse genutzt werden, um theologische Vorstellungen (z.B. ein personales Gottesbild) über Bord zu werfen, die für den Menschen der Spätmoderne inakzeptabel seien. Beile skizziert zunächst kritisch die aktuelle Lage des Protestantismus, kennzeichnet dann 12 Merkmale einer zukunftsfähigen Kirche, um in einem dritten Teil seine Vision einer zeitgemäßen Kirche, die nicht mehr Volks-, sondern Mitgliederkirche sein soll, zu präsentieren. Insgesamt ein anregender, verständlich geschriebener Diskussionsbeitrag zum Thema Kirchenentwicklung mit einer klar formulierten liberalen theologischen Ausrichtung. Dies hindert Beile nicht daran, viele seiner praktischen Anregungen eher evangelikaler Gemeindeaufbauliteratur zu entnehmen.
Erhard Reschke
Erneuern oder untergehen - Evangelische Kirchen vor der Entscheidung. Markus Beile, Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus, 2021, 381 Seiten,
ISBN 978-3-579-07172-5, gebunden, 22,00 €
Hannes Schott: Raus aus dem toten Winkel
Wie könnte die Kirche von morgen aussehen?
Hannes Schott ist Pfarrer und Kabarettist; und als solcher schaut er auf die Strukturen der bestehenden Volkskirche und setzt sich damit auseinander. Man spürt ihm an, dass er begeistert ist vom Christsein und von seinem Beruf. Er setzt sich sehr humorvoll, immer mit einem Augenzwinkern und voller Liebe zu den Menschen, mit Fragen der Struktur von Gemeinde auseinander. Wenn die Menschen nicht in die Kirche kommen, dann muss die Kirche eben zu ihnen kommen - aus diesem Gedanken heraus verlost er z. B. "Gottesdienste im Wohnzimmer" oder bietet Gottesdienste im Bus an. Er möchte Kirche und Gemeinde aus dem toten Winkel des Langweiligen und stets Konventionellen befreien. Vieles ist sicherlich mit seiner Person und seiner Art verbunden, aber es finden sich reichlich Ideen, die auch andere Pastor:innen übernehmen und andere Kirchengemeinden aufnehmen könnten. Sehr inspirierend und gut zu lesen. Das Buch macht Mut, auch mal abseits der gewohnten Wege zu gehen.
Margot Haffke
Raus aus dem toten Winkel - Ein unkonventioneller Blick auf die Kirche von morgen. Hannes Schott, unter Mitarbeit von Regina Carstensen, München, Kösel, 2020, 203 Seiten, ISBN 978-3-466-37265-2, gebunden, 18,00 €
Erik Flügge: Nicht heulen, sondern handeln
Widerspruch, Mut, Orientierung - das fordert ein Katholik von der Evangelischen Kirche: die Reformation der Reformation.
Das ist schon ein bisschen besonders: Der Autor, Kommunikationsberater und Katholik, veröffentlicht Thesen für einen mutigen Protestantismus! Provokant fordert Erik Flügge die Abschaffung des Gottesdienstes, zu dem nur noch drei Prozent der Evangelischen kommen. Außerdem sollte man die Bibel, verstaubt wie sie ist, weiterschreiben. Er fragt, ob die persönlich inspirierte Gott-Mensch-Beziehung nicht alleine stehen kann, und ob ein solcher Mensch nicht auch Heimat und Angebote in der Kirche finden sollte. Flügge rät den Evangelischen, sich einen "Propheten" zu wählen, der dann ganz frei für eine Zeit eine These vorantreiben kann. Dem kann man viel entgegenhalten: Der Protestantismus ist nicht nur Kirchlichkeit, der Gottesdienst findet auch stellvertretend statt, die Evangelischen sind halt vielfältig und zurecht nicht immer eindeutig. Man kann aber diese in gut verständlicher Sprache geschriebene fröhlich-freche Provokation nutzen und eine Diskussion in Gang zu setzen - da, wo man gerade ist.
Volker Dettmar
Nicht heulen, sondern handeln - Thesen für einen mutigen Protestantismus der Zukunft. Erik Flügge, München, Kösel 2019, 89 Seiten,
ISBN 978-3-466-37238-6, kartoniert, 12,00 €
evangelisch.de dankt dem Evangelischen Literaturportal für die inhaltliche Kooperation.