Die Dreieinigkeitskirche in Regensburg ist festlich geschmückt, es duftet nach Blumen. Noch stehen die Brautleute vor der Kirchentür, aber gleich um 14.05 Uhr soll es losgehen. Die Braut ist ganz in Weiß gekleidet, der Bräutigam im blauen Anzug tritt ein wenig auf der Stelle - etwas Anspannung ist trotz aller Spontaneität doch dabei. So wie Lydia und Rudolf Aumeier haben sich am Donnerstag, den 23.3.23 mehr als 230 Paare an der Aktion "Einfach heiraten" der bayerischen evangelischen Landeskirche beteiligt und einen Segen für ihre Liebe erhalten.
In seiner Ansprache für die Aumeiers erzählt Pfarrer Magnus Löffelmann im Plauderton von den Meilensteinen ihrer Liebe: das erste Date, der erste Kinofilm, der Antrag. Nach dem Trauversprechen bindet sich das Paar ein Segensband ums Handgelenk: "Dich schickt der Himmel", steht darauf. Nach 20 Minuten ist die Zeremonie vorbei.
Es sei "so prickelnd wie beim ersten Mal", sagt Lydia - seit 23 Jahren ist sie mit ihrem Mann schon verheiratet. Rudolf fühlt sich nach dem Ja-Wort "beflügelt", und so stoßen sie mit einem Glas Sekt auf ihre Trauung an. Pfarrer Löffelmann eilt derweil zum Speed-Dating mit den nächsten Brautleuten. Es könnte ein langer Tag werden: Das Telefon der Dreieinigkeitskirche steht nicht still.
Genauso wenig wie die Schwingtüren zum Gemeindehaus der Christuskirche in München-Neuhausen: Es ist 14 Uhr, und gerade kommt ein Hochzeitspaar nach dem anderen zur Anmeldung. "Wir hatten 33 vereinbarte Termine, noch mal so viele Paare können spontan kommen", sagt Dekan Christoph Jahnel. Die Möglichkeit zur Sponti-Hochzeit trifft den Nerv der Menschen.
Seit 11 Uhr führt ein 20-köpfiges Pfarrer-Team Traugespräche. Auch Regionalbischof Christian Kopp mischt mit. "Das war toll, so hab' ich das noch nie gemacht", sagt er, nachdem er mit Laura (36) und Severin (37) Fucks wieder aus der Kirche kommt. Die beiden wollten den spontanen Rahmen und explizit nur zu zweit mit Pfarrer in der Kirche sein. Die große Offenheit des Angebots schätzt Lydia von Freyberg: "Dass hier jeder kommen kann, ob Männer oder Frauen, ob Kirche oder nicht, das finde ich großartig." Mit ihrem Partner Thomas Koppelt ist sie schon lange zusammen, die beiden haben eine Tochter. "Die Idee zu heiraten war immer im Raum, jetzt passt es genau für uns", sagt die Braut im weißen Spitzenkleid. Im Herbst soll dann die standesamtliche Trauung folgen.
Premieren gibt es hier aber nicht nur für die Hochzeiter. "Das war meine erste Trauung", sagt Janina Steigerwald, die als Vikarin noch "Pfarrerin in Ausbildung" ist. Sie hat gerade Sandra und István verheiratet. Nach einem Glas Sekt brechen die Frischvermählten wieder auf in den Alltag. "Vielen Dank für den schönen Tag - es war genau so, wie wir es uns gewünscht haben", ruft Sandra im Gehen.
Zu den ältesten Hochzeitspaaren dürften an diesem Tag aber Christine und Wolfram gehören: Die beiden Ärzte aus Ottobrunn sind seit 52 Jahren verheiratet und haben fünf Enkelkinder. "Wir haben damals in der Mittagspause standesamtlich geheiratet", sagt der 82-jährige Wolfram. Je weniger festlich der Rahmen, so seine These, desto länger halte die Ehe. Seine 85-jährige Gattin hat in der Zeitung von der Aktion gelesen. "Da haben wir gesagt: Das machen wir jetzt", sagt Wolfram und lacht so vergnügt, als sei ihm ein fabelhafter Streich gelungen.
Sandra Wägner und Holger Müller aus Fürth sind seit 2009 standesamtlich verheiratet. "Zwischendrin war das Leben und keine Zeit", begründet Wägner die späte kirchliche Trauung. "Wir sind heute hier, weil es schnell und ohne große Planung geht", sagt ihr Mann. Neu gekauft haben sie nur den frühlingshaften Blumenstrauß. Aus den Trausprüchen wählen sie einen Vers aus dem Johannesevangelium: "Lasst uns einander lieben: nicht mit leeren Worten und schönen Reden, sondern mit tatkräftiger und wahrer Liebe." Für beide ein Spruch, der zu ihnen passt.
Von der Zeremonie in der Wolfgangskapelle der Nürnberger Egidienkirche weiß nur Müllers Mutter, die den beiden von der Aktion erzählt hat. Sie passt auch auf die Kinder der beiden auf. "Wir machen das heute bewusst als Paar zu zweit, weil wir mit den Kindern sonst kaum Zeit füreinander haben", sagt Müller. Wann sie es ihren Familien und Freunden sagen wollen, haben sie noch nicht entschieden. Dass es eine Überraschung wird, ist sicher: "Damit rechnet, glaube ich, niemand mehr", sagt Wägner lachend.
In der Augsburger Kirche St. Anna fanden sich nach 22 Uhr noch vier Paare zu einem gemeinsamen Trau-Fest ein, weil die vorgesehenen Timeslots nicht ausgereicht hätten. In Augsburg waren es insgesamt 32 Trauungen oder Segnungen, in Memmingen 25 oder in Nürnberg 18. Darunter waren auch wiederverheiratete katholische Paare, die ihre Liebe segnen lassen wollten. In Regensburg, München, Rothenburg ob der Tauber und Augsburg haben auch LGBTQ-Paare den kirchlichen Segen für ihre Liebe erbeten.