"Sie wollen … sich einfach mal mit einem sehr schmalen Entertainer austauschen, für den der schwierigste Part des Auftritts darin besteht, unfallfrei die Bühne zu entern? Gratulation, Sie sind hier genau richtig", schreibt Kai Robin Bosch auf seiner Website. Humor und Selbstironie gehören für den Mann mit Tetraspastik dazu, der im vergangenen Jahr Baden-Württembergischer Meister im Poetry-Slam wurde. "Die Situation an sich kann ich oft nicht ändern, aber meine Sichtweise darauf. Ich möchte mich nicht so sehr an Gegebenheiten aufhalten, die ich nicht ändern kann", ist die Überzeugung des 25-jährigen Backnangers, der seit seinem Bachelor-Abschluss in Kommunikationswissenschaft an der Uni Hohenheim im Frühjahr 2022 als selbstständiger Künstler tätig ist.
Dass Kai Bosch kreativ und ein talentierter Schreiber ist, fiel schon in der Schulzeit auf. Dass er aber auch auf der Bühne stehen würde, um Menschen mit seinen Texten zu erreichen, war zunächst "nur ein frommer Wunsch". Von frühester Kindheit an hatte er nicht nur mit seiner motorischen spastischen Einschränkung zu kämpfen, sondern stotterte auch erheblich. "An manchen Tagen hatte ich Probleme, überhaupt verstanden zu werden", sagt der junge Mann rückblickend. Doch als ihn seine Eltern zu einer Poetry-Slam-Veranstaltung mitnahmen, war er begeistert. Für ihn stand fest: "Das ist so cool - das will ich auch machen!"
Nachdem grade mal mit dem Comedy-Roman "Laberaffe" sein erstes Buch erschienen war, das er als 15-Jähriger in den Sommerferien zu schreiben begonnen hatte, begann er mit 17 Jahren im August 2014 eine Sprachintensivtherapie. Die zwei sehr arbeitsreichen Wochen in der von der Krankenkasse übernommenen Kasseler Stottertherapie zahlten sich aus: Hoch motiviert übte Kai Robin Bosch während des 50-wöchigen Nachsorgeprogramms mit einer Computersoftware, die unter anderem ein Sprachaufzeichnungsprogramm enthält, und intensivem Mentoring weiter: "Der Fortschritt hat mich beflügelt."
Bereits im November 2014 wagte er seinen ersten Poetry-Slam-Auftritt im Treffpunkt 44, dem Backnanger Jugendhaus. "Es lief so gut, dass ich seither am Poetry Slam drangeblieben bin", sagt der Autor, dessen Textsammlungen in zwei weiteren Büchern sowie Anthologien erschienen sind. Im Jahr darauf wurde der Bühnenkünstler zunächst als Baden-Württembergischer U20-Meister im Poetry-Slam ausgezeichnet. Mittlerweile ist er der Landessieger 2022, der in diesem Jahr seinen Titel verteidigen möchte, und auf rund 350 Auftritte zurückblicken kann. Neben Solo-Shows tritt er zuweilen auch im Duo mit dem Zauberkünstler Nikolai Striebel auf.
"Meine Themen haben viel mit meiner eigenen Lebensrealität zu tun", erzählt der junge Künstler, der auch Auftragstexte verfasst. "Oft ist der Anlass eine Situation, die ich selbst erlebt habe oder mir vorstelle und ein Konstrukt, das ich drumherum baue."
Kreatives Schreiben und Inklusion
Sein Wissen und seine Erfahrungen gibt Bosch in Workshops zu kreativem Schreiben und Poetry-Slam-Vorträgen weiter. Oft wird in der praxisorientierten, mindestens vierstündigen Veranstaltung in Schulen, Volkshochschulen, Vereinen oder auch Firmen das Thema Inklusion behandelt. Der Workshopleiter ist aber ebenso offen für andere Inhalte, die die Veranstalter nach Absprache frei wählen könnten, erklärt er.
Mit seiner Arbeit verbindet der Künstler, der offen mit seiner Behinderung umgeht, einen Auftrag als Inklusionsbotschafter. "Ich schaffe Begegnungen mit meiner Bühnenpräsenz. Das ermöglicht Veränderungen im Denken", so Bosch. Und für andere von Handicaps Betroffene könne sein Auftritt eine Ermutigung sein, auch etwas zu wagen. "Es ist eine superschöne Möglichkeit, etwas Positives zu bewirken", freut sich der Bühnenkünstler.
Beim Betreten der Bühne helfe ihm ein Geländer oder, falls nicht vorhanden, der Arm des Moderators. Kai Robin Bosch, der ein eigenständiges Leben führt, hat kein Problem damit, wo nötig auch Hilfe anzunehmen. "Am liebsten ist es mir, wenn Leute einfach fragen - dann kann ich selbst entscheiden."
Und nein, Kai Bosch ist nicht immer erfolgreich. Völlig frei vom Stottern ist er nicht. "Es gibt einzelne Abende, einzelne Momente, an denen es nicht so gut läuft", räumt er ein. Doch: "Angst war nie mein vorherrschendes Gefühl", ist er sich sicher.