Die Flensburger Reihe, die diesen Titel trägt, ist jedoch eine Krimireihe, weshalb der Auftakt der zwanzigsten Episode vergleichsweise ungewöhnlich ist, denn nichts deutet auf ein Delikt hin: Hulda Schreiber (Alexandra Finder) und die kleine Flora haben anscheinend die Orientierung verloren. Als das Schuhwerk des Mädchens im Schlick stecken bleiben, nimmt die Mutter ihre Tochter auf den Arm; ein Blick auf die kleinen Stiefel zeigt, wie das Wasser steigt.
Der hinterbliebene Gatte, Axel Schreiber (Johannes Zeiler), ist Polizist, er arbeitet fürs Drogendezernat und ist der beste Freund von Arne Brauner (Martin Brambach); die beiden kennen sich seit der Polizeischule, damals hat Axel dem Kollegen über einen Schicksalsschlag hinweggeholfen. Als die Suche ergebnislos verläuft und wenige Wochen später Anorak und Puppe des Mädchens gefunden werden, wäre der Fall zumindest aus Ermittlungssicht beendet. Der Titel "Dämonen" deutet jedoch an, dass da noch mehr kommt: Erst stellt Schreiber zu seiner Verblüffung fest, dass seine Frau seit sechs Monaten Dänisch gelernt hat, dann rekonstruiert Jana Winter (Natalia Wörner) die Ereignisse im Watt. Im Gegensatz zum am Boden zerstörten Brauner kann sie sich gut vorstellen, dass sich Hulda zwar aus ihrem alten Leben verabschiedet hat, aber nicht im Sinne eines Suizids: Kollege Hamm (Ralph Herforth) findet heraus, dass die Frau im Internet nach Mitteln und Wegen gesucht hat, um eine neue Existenz zu beginnen. Für den Kommissar ist die Sache damit erledigt ("Reisende soll man nicht aufhalten"), aber Winter leitet ein Ermittlungsverfahren wegen Kindesentführung ein.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Über weite Strecken des ersten Akts fesselt der Film vor allem emotional, denn Schreibers Bestürzung lässt sich natürlich gut nachvollziehen: Erst trauert er um Frau und Tochter, dann gibt es Hoffnung, dass die beiden doch nicht tot sind, und schließlich muss er damit klarkommen, dass sie dennoch und nun wohl tatsächlich für immer aus seinem Leben verschwunden sind: Dank des auch in Dänemark veröffentlichten Suchaufrufs meldet sich eine Blumenhändlerin. Die Spur führt in ein Ferienhaus, aber hier verliert sie sich prompt wieder: Das Domizil ist akribisch gereinigt worden. Mit Hilfe kriminaltechnischer Methoden lässt sich jedoch nachweisen, dass offenbar ein Verbrechen stattgefunden hat. Nun nimmt die Handlung eine überraschende Wende, nur um kurz drauf eine völlig andere Richtung einzuschlagen. Zwischenzeitlich hat Winter mit Blick auf die erschütternde deutsche Femizidstatistik – alle drei Tage wird eine Frau von ihrem aktuellen oder ehemaligen Partner ermordet – gar den Gatten selbst im Verdacht, aber Schreiber hat dank Brauner, der die Vermutung ohnehin für völlig absurd hält, ein Alibi. In verklärtes Licht getauchte Rückblenden geben zudem Zeugnis von glücklichen Familienmomenten. Aber warum hat Hulda ihren Mann dann verlassen?
Handwerklich bewegt sich "Dämonen" vor allem wegen des gelungenen Zusammenspiels von Bildgestaltung, Musik und Schnitt auf hohem Niveau; diese Qualität war von Anfang an ein Markenzeichen der Reihe. Judith Kennel, die bislang alle Folgen gedreht hat, geht bei der Umsetzung ähnlich nüchtern und sachlich vor wie die Hauptfigur bei ihren Ermittlungen: Die Gefühle entstehen durch Empathie, nicht durch die Inszenierung. Das Drehbuch stammt von Zora Holt, sie hat auch die Vorlage für die sehenswerte letzte Episode geliefert: Der fesselnde Thriller "Mutterseelenallein" (2022) konfrontierte das Team um Jana Winter mit einem abscheulichen Fall von Cyber-Kriminalität. "Dämonen" ist ihre vierte Arbeit für "Unter Umständen".
Dass die frühere Schauspielerin mit Ralph Herforth verheiratet ist, gibt ihren Büchern für diese Reihe natürlich eine besondere Note. Der Kommissar wird zwar nicht zur zentralen Figur, zumal die Rollenverteilung recht ausgewogen ist, aber Herforth sorgt mit seinen sarkastischen Kommentaren für die wenigen heiteren Noten des Films. Die differenziertere darstellerische Herausforderung hat Martin Brambach zu bewältigen, weil Brauner zwischen seinen Pflichten als Ermittler und Freund hin und hergerissen ist und sich zum Finale auf ein gewagtes Spiel einlassen muss. Dass die Geschichte mehrere unerwartete Haken schlagen kann, verdankt sie ohnehin in erster Linie der Doppelbödigkeit der entscheidenden Figuren.