Foto: dapd/Axel Schmidt
Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Berlin in der Synagoge Rykestrasse.
Die antisemitischen Vorfälle in Berlin
Am höchsten jüdischen Feiertag ereignen sich in Berlin gleich zwei antisemitische Vorfälle. Ein Jude wird verbal angegriffen, einer Familie wird die Weiterfahrt im Taxi verweigert. Erst vor kurzem hatte eine Prügelattacke für Entsetzen gesorgt.
28.09.2012
dpa/epd
Angelika Röpcke, Maren Martell, epd

Rund einen Monat nach dem Überfall auf einen Rabbiner ereignen sich in Berlin gleich zwei antisemitische Vorfälle.

Am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur ist der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, nach dem Besuch einer Synagoge bedroht worden. Ebenfalls am Mittwoch wurde einer Familie im Stadtteil Dahlem im Taxi die Weiterfahrt verweigert, weil sie eine Synagoge besuchen wollte. In beiden Fällen ermittelt die Polizei. Politiker und Vertreter jüdischer Organisationen zeigten sich entsetzt.

"Ein Akt von Fremdenfeindlichkeit"

Kramer war zum Zeitpunkt der Attacke mit seinen beiden Kindern unterwegs und trug verdeckt eine Pistole bei sich. "Offensichtlich fühlte sich der Täter provoziert durch ein sichtbares jüdisches Gebetsbuch", sagte Kramer am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa zu dem Vorfall. Über den Fall Kramer hatte zunächst die "Bild"-Zeitung (Freitag) berichtet. Ende August war ein Rabbiner in Berlin vor den Augen seiner Tochter von Jugendlichen angegriffen und geschlagen worden.

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"Es hat den Anschein, dass es ein Akt von Fremdenfeindlichkeit war", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, der dpa mit Bezug auf den Fall Kramer. Graumann verurteilte die Tat und kritisierte, dass die Ermittler im Fall des Rabbiners die Täter bisher noch nicht gefasst hätten. Die Polizei äußerte sich nicht dazu, ob der Angriff auf Kramer einen antisemitischen Hintergrund hatte.

"Berlin wendet sich gegen Intoleranz und Gewalt"

Die Familie aus vier Personen war am Mittwochvormittag gegen 11.00 Uhr mit dem Taxi unterwegs. Nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" (Freitag) verhielt sich der Taxifahrer nach Darstellung der Fahrgäste zunächst freundlich, bis sie ihm mitteilten, dass sie die Synagoge in Charlottenburg besuchen wollten. Der Fahrer habe dann unvermittelt angehalten und den Fahrgästen nahegelegt, die Fahrt in einem anderen Taxi fortzusetzen. Die Polizei will nun die Betroffenen hören. Nähere Angaben zu der Familie wurden noch nicht gemacht.

Laut Medienberichten spricht der Taxifahrer hingegen von einer "einvernehmlich" vorzeitig beendeten Fahrt. Ob er seine Beförderungspflicht verletzt habe, müsste das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten prüfen. Laut Senatsinnenverwaltung ist dazu aber bislang noch keine Anzeige erstattet worden.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte: "Berlin wendet sich gegen jede Form von Intoleranz und Gewalt." Juden seien selbstverständlicher Teil der Gesellschaft, Drohungen gegen sie seien nicht akzeptabel. Berlins Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki sagte der "Bild"-Zeitung, es sei unerträglich, dass sich solch ein antisemitischer Vorfall erneut ereignet hat.

"Ich habe die Waffe nicht mal angefasst"

Informationen, wonach Kramer nach der verbalen Attacke eine Waffe gezückt und den Täter bedroht hat, bestätigten sich nach dpa-Recherchen nicht. Auch Kramer wies das zurück. "Ich habe die Waffe nicht mal angefasst." Er trage seit mindestens acht Jahren legal eine Pistole zum eigenen Schutz, aber auch in seiner Funktion als Sicherheitsbeauftragter des Zentralrates der Juden. Er sei zuständig für den Schutz von Personen und Objekten der Organisation. "Ich habe eine Waffenberechtigung", erklärte er.

Der stellvertretende Polizeisprecher der Berliner Polizei, Thomas Neuendorf, bestätigte, dass Kramer das Recht zum Waffenbesitz aufgrund seiner Einstufung als besonders "gefährdete Person" habe. Da auch der mutmaßliche Angreifer Anzeige erstattet habe und die Behörde somit wegen "wechelseitiger Bedrohung" zu ermitteln hatte, hätte der Vorfall nicht ohne Hinweis auf die Waffe veröffentlicht werden können. Zwischenzeitlich habe der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen.

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Als der Täter ihn angepöbelt habe, habe er dem Mann gesagt, dass er die Pistole dabeihabe und seine Jacke beiseitegeschoben, um dem Angreifer die Waffe zu zeigen. Damit habe er verhindern wollen, dass die Situation eskaliere, sagte Kramer.

Israel verurteilt Angriff scharf

Kramer war nach eigener Darstellung vor dem Angriff mit seinen Kindern in einer Synagoge gewesen. Der Mann habe ihn angesprochen und aufgefordert, dahin zurückzugehen, wo er herkomme. "Während des Vorfalls ist es zu lautstarken Auseinandersetzungen und der Androhung von körperlicher Gewalt durch den Täter gekommen", sagte Kramer. Passanten und er hätten die Polizei gerufen.

Der Fall des Rabbiners Ende August hatte nicht nur bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Israel verurteilte den Angriff scharf. Der 53-Jährige war vor den Augen seiner Tochter von Jugendlichen geschlagen und antisemitisch beleidigt worden. Die Polizei vermutet, dass die Täter arabische Wurzeln haben.