Je höher die Flammen lodern, desto besser: Am Abend des 21. Februar brennen in ganz Nordfriesland die traditionellen Biike-Feuer. Im Sylter Friesisch steht der Begriff "Biike" für Feuerzeichen. Die Menschen entzünden an den Stränden große Hügel aus Zweigen und alten Weihnachtsbäumen. Es werden Reden auf Friesisch gehalten, oft gibt es Musik und Tanz. Das Biikebrennen gilt als das identitätsstiftende Merkmal der Nordfriesen. Seit 2014 ist das Volksfest immaterielles Kulturerbe.
"Das große Biikefeuer steht in dem Ruf, den Wintergeistern ordentlich einzuheizen", sagt der nordfriesische Künstler Hans Ruprecht Leiss (68) in einem Erklärvideo des Friesenrats Sektion Nord in Bredstedt. Nordfriesland sei zwar nicht für seine Schneelandschaften bekannt. Der Winter bleibe hier oben aber besonders lange hängen. Mit dem Feuer wollten die Friesen in den Frühling starten, erklärt Leiss.
Rund 60 Feuer sind in diesem Jahr in Schleswig-Holstein angemeldet. Auf Sylt brennen neun, weitere finden auf Föhr (13), Amrum (5) und auf den Halligen statt. Auf dem Festland gibt es etwa in St. Peter-Ording, Klanxbüll, Niebüll, Dagebüll, Friedrichstadt, in der Husumer Bucht und Tönning die lodernden Feuer. Vereinzelt brennen sie auch an der Ostseeküste, etwa in Kellenhusen, Dahme und Grömitz, obwohl dort eine kulturelle Überlieferung fehlt. Auch auf den dänischen Wattenmeerinseln ist das Biikebrennen bekannt.
Biike war ursprünglich ein Fastnachtsfeuer
Um den Ursprung der Biike ranken sich zahlreiche Mythen. Mit den Feuern seien der germanische Gott Wodan verehrt oder die auf Walfang auslaufenden Seeleute verabschiedet worden, sagen Quellen im Internet. Dem widerspricht der Direktor des Nordfriisk Instituuts, Christoph Schmidt. "Das ursprüngliche Biikebrennen war ein Fastnachtsfeuer", sagt er.
Auch Michael Goltz aus St. Peter-Ording vergleicht die Tradition mit der klassischen Fastnacht, bei der mit Umzügen und Masken die bösen Geister verscheucht werden sollten. "Beim Karneval wird das Böse verlacht, beim Biikebrennen wird es verbrannt", sagt der evangelische Pastor aus St. Peter-Ording, wo das Biikebrennen nach dreijähriger Corona-Pause besonders groß gefeiert wird.
Das Böse wird verbrannt
Während Goltz das Volksfest gern selbst besucht, verdammte der Nordstrander Propst Georg Boetius 1566 alle "heidnische Abgötterei". Dazu zählte er auch die Abendfeuer. Bis 1740 war der Brauch in Nordfriesland fast verschwunden. Ein Sylter Lehrer entfachte das vergessene Biikebrennen Mitte des 19. Jahrhunderts schließlich wieder.
Erst kurz vor der Jahrtausendwende wurde es einheitlich auf den 21. Februar festgelegt. Seitdem finden die Feuer also am Abend vor dem Petritag statt, an dem die katholische Kirche den Stuhl des Papstes feiert. In der NS-Zeit wurden die Feuer als Propaganda missbraucht. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwanden sie deshalb für mehrere Jahrzehnte komplett aus der nordfriesischen Landschaft.
In den 1970er-Jahren erlangte das Biikebrennen dann eine Renaissance. Junge Friesen entzündeten ab 1972 eine Biike auf dem Stollberg bei Husum. Seitdem breitete sich die Tradition an der Westküste in Schleswig-Holstein wieder aus. Zu den Fackelumzügen kommen inzwischen auch viele Touristen, Restaurants bitten nach dem Biikebrennen zum Grünkohlessen.
Dabei gehöre das grüne Gemüse traditionell gar nicht zum Biikebrennen dazu, sagt Schmidt. Biike sei eigentlich Feuermachen mit Freunden, Feiern bis in die Nacht. Und vor allem: "Da darf man auch mal frech sein und Quatsch machen, ohne dass gleich die moralische Keule geschwungen wird."
Mit dem Tourismus habe sich die Tradition verändert, zu einem Volksfest mit Getränkeständen, Musikgruppen und eben Grünkohlessen. "Das ist auch okay, solange die Einheimischen sich nicht aus der ersten Reihe verdrängt fühlen", sagt Schmidt. Touristen seien deshalb bei großen Biike-Festen wie in St. Peter-Ording oder auf dem Stollberg herzlich willkommen. In den kleinen Orten, wo die Biike weiterhin privaten Charakter habe, sollten die Einheimischen aber weiterhin für sich sein dürfen, findet Schmidt.