Paula Hübel ist Vizepräses im Kirchenkreis Rudolstadt-Saalfeld in der Ev. Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Paula ist 21 Jahre alt. Wie kommt eine so junge Frau in ein solches Amt? Im April 2022 fand in der EKM die erste Jugendsynode innerhalb der Landessynode statt. Dazu waren 80 Jugendliche aus allen Kirchenkreisen und den evangelischen Jugendverbänden der Landeskirche nach Naumburg eingeladen. Die Landessynodalen tagten schon ab Mittwoch, am Freitag kamen dann die Jugendlichen dazu.
Für die Tagung war die Sporthalle am Tagungsort extra mit Stühlen und Tischen ausgestattet worden. Aber das Mobiliar reichte nur für ca. 100 Personen, also für die Landessynodalen und die verschiedenen offiziellen Personen, die zur Synodentagung dazugehören. Für die anreisenden Jugendlichen waren Papphocker als Tische organisiert. Da vor allem in Arbeitsgruppen getagt werden würde, sollte das doch gehen. Und jungen Menschen kann man das doch am ehesten zumuten.
Aber es kam nicht gut an. Bei etlichen Landesynodalen nicht, und vor allem bei den Jugendlichen nicht. Aber für das Präsidium war es nun einmal wichtig, dass die Sitzordnung nicht verändert wird. Denn das Präsidium muss moderieren. Auf dem Übersichtsplan können sie nachschauen, wer sich gerade gemeldet hat und die Person aufrufen. Darum soll sich bitte keiner woanders hinsetzen.
Doch die Jugendlichen kamen in der Nacht auf eine geniale Idee. Alle im Raum tauschen ihre Plätze, aber es gelten weiterhin die Namen der vorliegenden Sitzordnung. Johanna sitzt nun auf dem Platz von Herrn Müller. Sie meldet sich. Das Präsidium erteilt dem Platz von Herrn Müller das Wort. Und Johanna redet. Es hat super funktioniert.
Alle saßen bunt gemischt: Landessynodale nun am Papphockertisch - und die Jugendliche konnten sich an den richtigen Tischen ausbreiten. Das war auch gut gegen das schlechte Gewissen der Synodalen.
Auf dieser Jugendsynode wurden gemeinsam von Jugendlichen und Erwachsenen eine Menge Anträge an die Landessynode formuliert. Ein Antrag fordert das passive Wahlrecht ab 14 Jahren im Gemeindekirchenrat. Doch dazu gibt es verschiedene Bedenken: Warum sollen sich Jugendliche mit den unwichtigen Gemeindekirchenratsthemen beschäftigen? Das wird doch abends bei den Sitzungen viel zu spät, die müssen doch wieder früh in die Schule. Und dann ist da noch die Frage nach der Geschäftsfähigkeit. Darum gilt in den Gemeindekirchenräten und Kreissynoden der mitteldeutschen Kirche für die Jugendlichen eine Berufung ab 14, aber Stimmrecht erst mit 18.
Doch dürfen all diese Einwände als Wahlausschluss gegenüber jungen Menschen dienen? Ist es nicht unsere Aufgabe nach Lösungen zu suchen. Schließlich liegt höchster Segen auf dem Ernstnehmen der jungen Generation: Jesus stellt ein Kind in die Mitte und sagt "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, kommt ihr nicht ins Himmelreich." (Mt 18,2-3.)
So wie die Landessynode mit den Papphockern eine gute Lösung gefunden hat, so müssen wir auch für alle anderen Einwände Lösungen suchen. Auch wenn klar ist, es geht dann nicht nur um die Sitzordnung, sondern um viel mehr: um die Sprache, die Kultur des Miteinander. Es geht darum, einander ernst zu nehmen.
Doch manche Jugendliche wollen mehr. Sie wollen nicht nur auf Sonderplätze berufen werden, sondern auch zu den Wahlen kandidieren - und das schon ab 14 Jahren. Damit muss sich die Landessynode der EKM nun auseinandersetzen.
Überhaupt ist die Situation für die Beteiligung Jugendlicher in den Landeskirchen der EKD sehr verschieden. Da gibt es diverse Modelle von Berufungen, Wählbarkeit, Stimm- und Rederecht. In der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Oberlausitz (EKBO) gibt es bereits einen Probelauf für Wählbarkeit ab 16 Jahren.
Dann soll evaluiert werden. Beim Lutherischen Weltbund gilt die Regel 40/40/20. Das bedeutet 40 Prozent Frauen + 40 Prozent Männer + 20 Prozent Jugendliche. Bis dahin ist es in einigen Landeskirchen noch ein weiter Weg. Mancherorts sitzen junge Menschen schon selbstverständlich an den Tischen der Kirchen-Gremien, andernorts suchen sie noch nach den Papphockern.
Jugendliche bringen die gewohnte Ordnung durcheinander. Auch weil sie vielleicht ganz andere Themen ansprechen und unsere gewohnten Abläufe in Frage stellen. Aber das muss keineswegs ins Chaos führen, sondern kann Horizonte weiten.
Kurz nach der Jugendsynode wurde Paula Hübel in ihrem Heimatkirchenkreis angefragt, ob sie nicht als Vizepräses kandidieren möchte. Paula sagte zu und sitzt nun auf einem Platz im Präsidium, natürlich mit eigenem Namensschild an einem richtigen Tisch.