Der Diskurs in Deutschland spiegele bisher nicht, dass die Hälfte der Menschen die Waffenlieferungen an die Ukraine kritisch sehe, sagte die frühere Bischöfin und Ratsvorsitzende der EKD in einem Interview mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (18.2.). "Aber diese Haltung wird in der Debatte gnadenlos niedergemacht. Das ist gefährlich für die Demokratie."
Das Reden vom Sieg der Ukraine bringe keine Perspektiven, sagte die Theologin: "Die westlichen Bündnispartner müssen der Ukraine sagen, was ihre Ziele sind." Es gehe um Fragen, wie lange der Krieg dauern werde oder was das Ende sein solle, an dem dann Verhandlungen beginnen müssten. "Ich sage: Das Ende muss schnellstmöglich kommen." Ein Waffenstillstand sei derzeit das "vordringliche Ziel".
Deshalb unterstütze sie das von der Publizistin Alice Schwarzer und der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht initiierte "Manifest für den Frieden", erklärte Käßmann. Sie gehört zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs, den in einer Woche fast eine halbe Million Menschen unterschrieben haben.
Die frühere Landesbischöfin von Hannover verwahrt sich zudem gegen die Kritik des ukrainischen Vize-Außenministers Andrij Melnyk, der Käßmann wegen ihrer Unterstützung des Manifests als "Pastorin der Schande" bezeichnet hat. "Ich frage mich, ob er auch nur die geringste Ahnung vom Neuen Testament und seiner Botschaft vom Frieden für die Menschen hat."
Den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill, der den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine als metaphysischen Kampf für das Gute rechtfertigt, nannte Käßmann einen Verräter an christlichen Grundüberzeugungen. Sie sei davon überzeugt, dass sich aus dem Evangelium keine Legitimation für Gewalt ableiten lasse. "Die Kirchen sind immer in die Irre gegangen, wenn sie Waffen gesegnet haben", erklärte die Theologin.