Auf der erst 2010 gegründeten Social Media-Plattform Instagram tummeln sich mehr als eine Milliarde User. Kein Wunder, dass Insta auch zu einem Geschäftsmodell geworden ist, viele Influencer machen Produktwerbung. Insta-Accounts sind ohne viel Technik leicht zu betreiben. Die größten deutschen Influencer:innen haben Millionen Follower:innen. Auch Theologen und Pastorinnen nutzen die Plattform für christliche Botschaften. Doch das ist eher eine Nische. Denn Instagram ist vor allem eine Plattform für Beauty, Fitness, Wellbeing, Familie und Mode, sagt Viera Pirka, die zur Tagung "Religion auf Instagram" eingeladen hatte.
Was aber das Influencing auch für Theolog:innen so interessant macht, ist die direkte digitale Kommunikation auf einem Medium, auf dem mehrheitlich 20- bis 39-Jährige unterwegs sind - sowohl Kirchenferne als Menschen, die Kirche schätzen.
Viele religiöse Influencer:innen (übersetzt: Meinungsmacher) bedienen neben Insta auch andere digitale Plattformen, sind auf Youtube, Twitter oder Tiktok aktiv. In der evangelischen Kirche werden die Influencer:innen auch gerne Sinnfluencer:innen genannt, haben aber eher eine kleinere Followerschar. Zu den bekanntesten zählt Theresa Brückner zum Beispiel: eine evangelische Pfarrerin aus Berlin. Sie ist bekannt geworden unter ihrem Account-Namen "Theresaliebt". Sie postete aus ihrem Pfarrerinleben und dachte auch über Trauer und Fehlgeburten öffentlich nach.
Oder der Sinnfluencer Gunnar Engel – ein Pfarrer aus Kiel – teilt eigene Bibelauslegungen. Eine Erfolgsgeschichte ist auch "Ja.Und.Amen" der Account der queeren Feministin und angehenden Pastorin Maike Schöfer. Alle haben Follower im fünfstelligen Bereich.
Die evangelisch-reformierte Pfarrerin und Geschäftsführerin des Zentrums für Kirchenentwicklung der Universität Zürich, Sabrina Müller, forscht über Influencerinnen. Sie stellt fest, dass das religiöses Influencing in den vergangenen eineinhalb Jahren im deutschsprachigen Bereich stark zugenommen habe. In spanischen oder englischsprechenden US-Communities, aber auch in Brasilien sei religiöses Influencing viel stärker und schon länger verbreitet als in Deutsch sprechenden Ländern.
"Spiritualität rückt aus der Kirche zum Smartphone"
Nach ihren Untersuchungen teilten Pastor:innen oder Theolog:innen zwar Geschichten aus ihrem Lebensalltag mit. Sie bildeten auf ihren Accounts aber "eine Mischung aus individueller religiöser und kirchlich institutionalisierter religiöser Praxis ab". Dabei rücke "die Spiritualität aus der Kirche zum Smartphone". "Die Kanzel verschiebt sich in das Smartphone", sagt Müller. Die Geschichten aus dem Evangelium seien gleichsam in ihnen selbst inkarniert. Die Verkündigung – was früher Predigt war – sei eben das gelebte Leben, das sich da zeige.
Die zentrale Frage für die reformierte Theologin sei: Kann man Glauben influencen wie bei einer Marketingorganisation? Das verneinte die Pastorin. Christlicher Glaube könne nicht gestiftet werden per Influencing. Theologisch brauche es die Ansprache, das Du.
Dennoch ist das Thema für die Kirchen relevant, werden hier doch jüngere Gruppen angesprochen, die möglicherweise nicht mehr in der Kirche sind. Die Gründung des evangelischen Netzwerks yeet ist eine Folge dieses kirchlichen Interesses. Das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) hatte 2020 yeet gegründet, um Influencer:innen vom Vikar bis zur Pastorin oder Religionslehrerin auf verschiedenen digitalen Plattformen zu verbinden und mit Technik oder Knowhow zu fördern. Derzeit begleiten die yeet-Redakteur:innen 26 Insta-Accounts und 8 Youtuber:innen mit knapp 400.000 Followerpower - plus sieben Podcast-Producer:innen.
14- bis 39-Jährige zielgruppengerecht ansprechen
Lilith Becker, Redakteurin und Leiterin des yeet-Netzwerks, erzählt den Weg vom Arbeitsauftrag zur Präsentation von "christlichen creators" im Jahr 2020. Dazu suchte die Redaktion Leute, die auf Social Media aktiv waren und bereits Inhalte produzierten. Die Suche nach christlichen Influencern gestaltete sich damals durchaus schwierig, denn man konnte auch schon mal Bedenkliches hören wie: "Wenn man Yoga macht, wird der Satan in einen fahren", zitiert Becker. "Solche christlichen Influcencer:innen wollten wir natürlich nicht unterstützen", ergänzt sie. Sondern es ging darum, Menschen zu unterstützen, die ihre Botschaft "auf eine verantwortungsvolle Art und Weise" weitergeben. Aber da gab es schon einige auf Insta und Youtube.
Und das Ziel war Menschen zwischen 14 und 39 Jahren zielgruppengerecht anzusprechen. Am Ende aber müssen die Influencer:innen den Inhalt schon alleine kreieren. Die persönlichen Botschaften sollen sich um Teilhabe an gesellschaftlichem und kirchlichen Leben drehen. Um religiöse Bildung und Halt und Orientierung bieten – aus christlicher Perspektive. Bis auf zwei hatten alle keine Stellenanteile und mussten ihre Produkte ganz alleine gestalten. Aber inzwischen hat sich das geändert. Manche haben jetzt Stellenanteile für den Social Media-Bereich, die allermeisten aber nicht.
Weil das Thema für die Kirche relevant ist, hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) eine Socia-Media-Studie über die 13 wichtigsten christlichen Influencer:innen in Deutschland beauftragt. 2022 ist die Studie veröffentlich worden. Daniel Hörsch, sozialwissenschaftlicher Referent bei der Evangelischen Arbeitsstelle midi hat die Studie durchgeführt. 2.828 Follower hatten auf die Fragen geantwortet. Er sagt: "85,5 Prozent (der Followerschaft) sind Mitglied der Kirche. Und noch zwei Drittel hätten sogar Kontakt zu einer Kirchengemeinde. Das bedeutet, dass "Influencing" ein Mittel der Kirchenbindung sein könne. Nur 12 Prozent der Antwortenden sagten, sie seien weder Mitglied noch hätten sie Kontakt zur Kirche. Die seien interessant "für das missionarische Potential", sagte Hörsch auf der Tagung.
Wichtig für Follower: im Glauben authentische Influencer
Das Interessanteste an der EKD-Studie war, warum die User dem Account folgten. Und da stand die Sympathie für den oder die Influcencer:in ganz oben – für 72 Prozent war das wichtig. Immerhin 54 Prozent fanden die Inhalte wichtig. Wichtig sei auch, das die Inhalte innovativ wären. Herauszuheben sei aus der Studie, dass Follower:innen schätzten, wenn Influencer:innen ihren Glauben authentisch lebten. Das sei auch "eine Anfrage an das Bodenpersonal im Präsentischen".
Auf der Tagung sprach auch der katholische Theologe Jan Kuhn, Mitbegründer des ökumenischen Insta-Accounts "Faithpwr". Der 2019 gegründete Insta-Account hat nur 4.000 Follower. Hier posten eine Handvoll Menschen aus der Theologen-Szene. Eine darunter ist die Pastoralreferentin Lisa Quarch. Das Netzwerk sei inzwischen im Bistum Limburg angedockt. Dort werde es weiterentwickelt und mit Tiktok und Podcast ergänzt. Kuhn unterstreicht, dass man in dem Account keine Neuevangelisation vorantreiben wolle und den Glauben erklären. Sondern es gehe darum Räume zu schaffen, wo die Menschen sich über ihren Glauben austauschen können.
Auf der Tagung wurde auch das didaktische Potential der Insta-Accounts für den Religionsunterricht angesprochen. Die Erzählweise und Präsentation der Insta-Stories wird von den Jugendlichen aufgenommen und findet Eingang in deren Bildsprache und Erzählweise. Eines wurde auf der Tagung klar, es gibt bislang noch wenig Forschung über die religiösen Influencer:innen in Deutschland.
Die nächste Tagung, sagte Viera Pirker, könnte sich auch um Tiktok und Religion drehen. Interessant war, dass die Followerschaft nicht alles ist, gerade bei religiösen Influencer:innen. Wenn die Communities zu groß werden, dann funktionieren sie nicht mehr als Gemeinschaft. Dann steht in den Kommentaren nicht mehr jeder für jeden ein, beobachtet Lilith Becker. Das heißt im Umkehrschluss: "Umso kleiner die Gruppe, umso wertvoller ist dann auch die Gemeinschaft, die da stattfinden kann."