Für ein Ehrenamt braucht man Zeit. Aber: "Man bekommt eine Menge zurück", sagt Christina Gold vom katholischen Wohlfahrtsverband der Malteser in Unterfranken. Das ist zwar schön und richtig - zieht aber bei vielen Ehrenamtlichen nicht mehr so richtig. Das weiß auch Daniel Geißler, der im Landkreis Dachau einen kommerziellen Sanitätsdienst anbietet. Wer als Reinigungskraft auf einer Messe oder bei einer Veranstaltung arbeitet, verdient Geld. "Warum soll dann ein Sanitäter nichts bekommen?", fragt sich Geißler, der früher selbst ehrenamtlich bei einer Hilfsorganisation engagiert war.
Der Unternehmer kann derzeit auf 28 Männer und Frauen zurückgreifen, die für ihn bei Veranstaltungen im Einsatz sind. Je nach Qualifikation erhalten sie bei ihm ein Honorar, manchmal auch deutlich mehr als den Mindestlohn. Ehrenamtliche bei Hilfsorganisationen bekommen in der Regel maximal eine Aufwandsentschädigung. Bei Geißler arbeiten - wie er selbst sagt - vor allem Menschen, die auch hauptberuflich im Rettungsdienst oder in Kliniken tätig sind. Allerdings größtenteils auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung. Einige von Geißlers Mitarbeiter scheinen auf den Zweitjob als Sanitäter finanziell angewiesen zu sein.
An Kunden mangelt es Geißler nicht. "Hilfsorganisationen müssen häufig absagen", sagt er. Elke Luginsland von der Münchner Muffathalle bestätigt, dass es für Veranstalter gar nicht so leicht ist, Sanitätsdienste zu organisieren. Schwierig war die Lage etwa nach der Corona-Krise. Personal sei abgewandert oder anderweitig eingebunden gewesen. Bei Veranstaltungen kooperiere die Muffathalle mit einem Verein. Die Erfahrungen seien sehr gut. Doch bei "langen Schichten bis in die Nacht" greife man auf professionelle Dienstleister zurück. Das sei allerdings sehr viel teurer und man habe "nicht immer nur gute Erfahrungen gemacht", erläutert Luginsland.
"Wir können nach wie vor alle Anfragen nach Sanitätsdiensten bedienen, außer bei großen Marathons - aber das kann keine Hilfsorganisation alleine stemmen, da helfen wir alle zusammen", sagt die unterfränkische Malteser-Sprecherin Christina Gold. Die Malteser selbst würden sich dennoch mehr Ehrenamtliche wünschen, sodass Freiwillige, die fast jedes Wochenende im Einsatz sind, hin und wieder pausieren könnten.
Wenige haben Zeit für ein Ehrenamt
Wie jemand in Bezug auf das Ehrenamt eingestellt ist, hängt nicht zuletzt von seiner familiären Herkunft ab. "Bei einigen unserer Ehrenamtlichen haben ganze Generationen das Rote Kreuz mitgeprägt", sagt Sohrab Taheri-Sohi, Sprecher des Bayerischen Rotes Kreuzes (BRK). Diese Tradition werde wegen gesellschaftlicher Entwicklungen aktuell unterbrochen. Dem BRK macht zu schaffen, dass Bürgerinnen und Bürger immer weniger freie Zeit zur Verfügung haben. Gleichzeitig steigen laut Taheri-Sohi die Anforderungen ans Ehrenamt.
"Wir vom Roten Kreuz können nicht mehr überall in Bayern Anfragen zum Sanitätsdienst rein ehrenamtlich bedienen", sagt der Pressesprecher. Welcher Ehrenamtliche zum Beispiel hat am Werktag zwischen 8 und 15 Uhr Zeit, Dienst auf einer Messe zu leisten? Gerade in Ballungsräumen arbeitet das BRK bei schwierig abzudeckenden Einsätzen inzwischen mit Minijobbern oder Hauptamtlichen aus den eigenen Reihen.
Dass finanzielle Nöte einen Ehrenamtlichen dazu bringen können, nach Jahren seinen Dienst zu quittieren, davon berichtet eine BRK-Mitarbeiterin, die namentlich nicht genannt werden will: "Ehrenamtliche springen ab, weil sie entweder im Hauptjob viel mehr zu tun haben, oder sie müssen sich einen Zweitjob suchen, weil das Geld nicht reicht." Sie selbst sei ebenfalls lange ehrenamtlich bei einer Hilfsorganisation tätig gewesen, habe nun aber eine Festanstellung beim BRK: "Irgendwann muss man zusehen, wie man selbst über die Runden kommt."
Mehr Anerkennung für das Ehrenamt erscheint Taheri-Sohi vor diesem Hintergrund wichtig: "Zum Beispiel in der Form, dass man im Alter etwas zurückbekommt." Prinzipiell stehe das BRK dazu, gewisse Angebote rein ehrenamtlich zu erbringen. Denn ohne Ehrenamt würde die Gesellschaft "ihr humanitäres Gesicht verlieren". An einigen Stellen müsse man aber vielleicht auch umdenken - etwa bei "unattraktiven" Sanitätsdienste bei großen Ausstellungen, wo kaum Einsätze anfallen und Sanitäter nur herumsitzen, erläutert der Sprecher.
Der Münchner Regionalverband der Johanniter kann nicht erkennen, dass die Zahl der Ehrenamtlichen merklich abnimmt. "Bei uns engagieren sich derzeit rund 1.500 Personen, das sind 400 mehr als noch vor zehn Jahren", sagt Sprecher Gerhard Bieber. Die ehrenamtlichen Sanitäter bei den Johannitern schätzen ihm zufolge gut planbare Einsätze am Abend oder an Wochenenden. Grundsätzlich seien Sanitätsdienste für Ehrenamtliche "enorm wichtig": "Dadurch bleiben sie für den Bevölkerungsschutz im Training."