Schon allein die Begegnung dieser beiden Menschen, die auf den ersten Blick alles andere als füreinander geschaffen sind, ist sympathisch eingefädelt, aber erst mal nimmt die Geschichte einen kleinen Umweg. Der frühere Buchhändler Hermann Weber ist ein Griesgram, wie es ihn vermutlich nur im Film gibt. Niemand kann ihm etwas recht machen, um sich herum sieht er nichts als kulturellen Verfall, und angesichts der tätowierten Jugend graust es ihm vor der Zukunft. Die immerhin bleibt ihm dank einer Krebsdiagnose erspart.
Der Arzt (Omar El-Saeidi) ist zwar guter Dinge, dass sich der Tumor behandeln lässt, aber Hermann hat vor dreißig Jahren hilflos dabei zusehen müssen, wie seine Frau trotz Bestrahlung und Chemotherapie qualvoll an der Krankheit gestorben ist. Weil er seiner Tochter (Anja Knauer) ersparen will, das Gleiche nun mit ihm zu erleben, sucht er nach Mittel und Wegen, vorzeitig aus dem Leben zu scheiden. Ein Suizid mit Unterstützung einer Schweizer Sterbehilfeorganisation erweist sich als viel zu kompliziert, andere Arten kommen nicht in frage. In diesem Moment greift das Schicksal ein.
Der Buchclub, dem Hermann regelmäßig mit seiner Miesepetrigkeit die schönste Eskapismuslektüre madig macht, hat ein neues Mitglied. Die Dame kleidet sich zwar für seinen Geschmack viel zu extravagant, aber der Paradiesvogel könnte die Lösung seiner Probleme sein: Hanne Haffenloher war bereits dreimal verheiratet. Die Gatten der früheren Apothekerin haben jeweils kurz nach der Hochzeit das Zeitliche gesegnet, was ihren Wohlstand jedes Mal erheblich vermehrt hat. Also macht sich Hermann an Hanne ran, gibt sich als ehemaliger und entsprechend vermögender Vorstandsvorsitzender aus, dessen Yacht "nicht die kleinste im Hafen" ist, und hofft auf eine baldige Trauung, Exitus inklusive, am besten im Schlaf; dass Hanne über das entsprechende Wissen verfügt, hat sie ihm bereitwillig offenbart.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Neben den vielen Einfällen, mit denen Lehmanns Drehbuch immer wieder überrascht, erfreut "Sterben ist auch keine Lösung" vor allem wegen der ausgezeichneten Arbeit Ingo Raspers mit dem Ensemble. Der Regisseur steht ohnehin für gute Laune. Sein letzter Film war "Lehrer kann jeder!" (2022), eine fröhliche Komödie mit Christoph Maria Herbst als arbeitsloser Mathematiker, der alles tut, um seine Frau zurückzugewinnen. Zuvor hat Rasper diverse nicht minder sehenswerten Filme im Auftrag der ARD-Tochter Degeto gedreht (unter anderem "Liebe ist unberechenbar", "Gloria, die schönste Kuh meiner Schwester", "Meine Nachbarn mit dem dicken Hund").
Für Walter Sittler und Andrea Sawatzki sind der Misanthrop und die lustige Witwe selbstredend Paraderollen, aber auch die weiteren Mitwirkenden machen viel Spaß. Sehr gut geführt ist zum Beispiel der junge Arthur Gropp als Hermanns 14-jähriger Enkel, der dafür sorgt, dass sein Großvater erstmals Bekanntschaft mit dem Internet macht. Lenny ist in Mitschülerin Laura verknallt, die ein großer Hesse-Fan ist; da kann sich Hermann gleich mal mit entsprechenden Lektüretipps revanchieren.
Witzig sind auch Sittlers kleine Slapstick-Einlagen, wenn Hermann zum Beispiel während eines Telefonats ein Buch ins Regal stellen will und ihm wie in einem Sketch von Loriot ein Dutzend Bücher um die Ohren purzeln; oder wenn er nach einer Einladung Hannes zu einer Tanzveranstaltung mit Tochter Claudia übt und prompt aus der Kurve fliegt. Bei aller Heiterkeit lässt Raspers Inszenierung aber immer noch Raum für die Träne im Knopfloch, denn im Grunde ist es natürlich zutiefst betrüblich, dass damals mit seiner Frau auch ein Teil von Hermann gestorben ist.
Wie es Hanne gelingt, seine Lebensgeister zu wecken, weil man, wie sie es formuliert, "auch im Herbst des Lebens nicht auf die Wärme der Liebe zu verzichten" braucht: Das macht "Sterben ist auch keine Lösung" zu einer ausgesprochen lebensbejahenden Komödie. Die Frage ist nur, ob Hermann die unverhoffte Romanze auch überleben wird. Dass der Witwer am Ende sogar seinen Buchclubfrieden mit den Werken von Rosamunde Pilcher schließt, ist ein netter Insider-Gag: Der Film ist eine Produktion von FFP New Media; die Firma produziert auch die Pilcher-Filme fürs ZDF.