Die Bundesregierung wird vom Parlament aufgefordert, die Möglichkeit zu einer internationalen politischen Konferenz zur Sicherheit und zum Wiederaufbau der noch großteils zerstörten jesidischen Heimatorte am nordirakischen Sindschar-Gebirge zu prüfen. In Deutschland soll ein Archiv- und Dokumentationszentrum zu dem Thema gefördert werden, sowie ein interdisziplinärer Lehrstuhl. In Asylverfahren soll die andauernde Verfolgung von Jesiden anerkannt werden.
Am 3. August 2014 hatte der IS jesidische Dörfer in der Sindschar-Region überfallen, tausende Männer getötet und Frauen und Kinder verschleppt, unter anderem nach Syrien. Die Frauen und Mädchen wurden systematisch vergewaltigt. Etwa 2700 Jesidinnen befinden sich Schätzungen zufolge noch immer in der Gewalt von Islamisten in der Region.
Laut deutschem Verfassungsschutz sind seit 2012 auch mehr als 1.050 Deutsche in die IS-kontrollierten Gebiete gereist, um für die Dschihadisten zu kämpfen. "Auch daraus leitet sich eine Verantwortung Deutschlands ab", heißt es in dem Antrag.
Die Befassung des Parlaments geht auf eine Petition zurück. Im Petitionsausschuss sprach im Februar 2022 der jesidische Petent Gohdar Alkaidy über das Anliegen, die IS-Verbrechen als Völkermord anzuerkennen. Er verwies dabei auch auf die Tatsache, dass in Deutschland die größte jesidische Diaspora-Gemeinde weltweit beheimatet ist. Rund 200.000 Jesidinnen und Jesiden leben in der Bundesrepublik.
Geflüchtete in Deutschland angekommen
Der Psychologe Jan Ilhan Kizilhan hofft auf ein bundesweites Sonderkontingent zur Aufnahme besonders schutzbedürftiger Jesidinnen mit ihren Kindern aus dem Nordirak in Deutschland. "Die Anerkennung des Völkermordes durch den Bundestag könnte den Anstoß dazu geben." Die Kinder hätten im Irak keinerlei Schutz, betonte er.
Kizilhan hat schon 2016 das baden-württembergische Sonderkontingent für gut 1000 schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak mitbetreut, über das auch Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad nach Deutschland kam. Der Psychologe sagte, fast alle seien froh, in Deutschland zu sein, viele hätten Abitur gemacht oder eine Berufsausbildung. "Sie wissen, dass sie nicht mehr zurückkehren werden."
Als "herausragendes Signal der Gerechtigkeit" hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) den Bundestagsbeschluss bezeichnet. "Gemeinsam stehen wir an ihrer Seite", sagte Kretschmann in Richtung der jesidischen Gemeinschaft. Es bleibe aber noch viel zu tun: "Lassen wir deshalb in unserem Einsatz für diese Menschen nicht nach."