"Wie mit Kindern umgegangen wird, die durch die Vergewaltigung von Jesidinnen von Angehörigen der Terrormiliz 'Islamischer Staat' gezeugt wurden, müssen betroffene Gemeinden selbst diskutieren. Das darf nicht von deutschen Politikern von oben herab vorgegeben werden", sagte Irfan Ortac im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst in Berlin. Es gehe um die Selbstbestimmung der jesidischen Gemeinschaft.
Der Bundestag will in seiner heutigen Sitzung den Völkermord an den Jesidinnen und Jesiden (Eigenschreibweise: Êzîdinnen und Êzîden) anerkennen. Im Antrag der Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und Union wird die Bundesregierung auch dazu aufgefordert, die "besonders vulnerable Situation" der durch Vergewaltigung entstandenen Kinder im Fokus zu behalten und deren Integration in die jesidische Gemeinschaft zu unterstützen.
Laut Ortac kam dieser Paragraf in dem Antrag auf Betreiben der Grünen zustande und hat in der Gemeinde für Ärger gesorgt. Den religiösen Regeln zufolge wird man nämlich Jeside ausschließlich durch Geburt, wenn beide Elternteile der Religionsgemeinschaft angehören.
Ortac wies darauf hin, dass viele dieser Kinder weiterhin bei ihren Müttern lebten, aber von der Religion ausgeschlossen seien. Im Irak würden Kinder muslimischer Väter automatisch als Muslime betrachtet. Wenn sie also als Jesiden erzogen würden, könnte dies als Abkehr vom Islam gesehen werden. Das würde wiederum die gesamte Gemeinschaft erneut in Gefahr bringen.
Aufarbeitung und Rückkehr voranbringen
Insgesamt würdigte Ortac, dass die IS-Angriffe auf die Jesiden politisch durch den Bundestag als Völkermord anerkannt würden. Er hoffte, dass Anliegen wie die Rückkehr der aus der Sindschar-Region vertriebenen Menschen sowie die langfristige Aufarbeitung der Völkerrechtsverbrechen dadurch vorangebracht werden.
Am 17. Januar ist die erste Verurteilung in Deutschland wegen Völkermordes an den Jesiden rechtskräftig geworden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte die lebenslange Haftstrafe eines IS-Kämpfers wegen Völkermordes an den Jesiden bestätigt und die Revision des heute 30-jährigen Angeklagten Taha Al-J. gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main weitgehend verworfen.