Als Feldmann unter der Kiste nach der Uhr tastet, hat er plötzlich eine Hand in der Hand, und so beantwortet sich auch die Frage, wo wohl Maria, die vermisste Vorsängerin des Kirchenchores, abgeblieben ist: Sie nimmt zwar an der Bestattung teil, doch singen wird sie nie wieder. Selbstverständlich zeigen alle Beteiligten betretene Mienen; trotzdem hat der Auftakt zur neunzehnte "Nord Nord Mord"-Episode natürlich eine schwarzhumorige Note.
Thomas O. Walendy erzählt mit seinem neunten Drehbuch zur beliebten Krimireihe zwar eine ernstzunehmende Geschichte, aber Peter Heinrich Brix und Oliver Wnuk sorgen immer wieder für witzige Momente: der eine auf eher passive Weise, weil der ohnehin bevorzugt finster dreinblickende Hauptkommissar Sievers diesmal in ständigem Zwist mit seinem Zweirad liegt; der andere, weil der oberschlaue Feldmann eine gewisse Neigung zu Missgeschicken hat, die Wnuk mit einer bewundernswerten Beiläufigkeit aus dem Ärmel zu schütteln scheint. Ein Malheur ist allerdings buchstäblich brachial, als ihm eine vermeintlich leblose Schläferin einen herzhaften Haken auf die Nase und anschließend noch einen Tritt in den Allerwertesten verpasst.
Auch Julia Brendler bekommt ihre Auftritte und offenbart dabei eine eindrucksvolle Singstimme, denn Walendy ergänzt die Handlung um eine interessante Variante: In wenigen Tagen kommt eine Delegation aus dem Vatikan nach Sylt, um dem Chor zu lauschen; es geht um eine Audienz beim Papst, und deshalb braucht Chorleiter Lowitz (Michael A. Grimm) dringend eine neue Solosängerin. Ina Behrendsen und er waren zu Schulzeiten Mitglied einer Rockband, und tatsächlich gelingt es ihm, die Kommissarin zu überreden, Marias Stelle einzunehmen, was nicht nur Feldmanns ohnehin bereits vorhandene Bewunderung für die Kollegin steigert, sondern auch maßgeblich zur Lösung des Falls beiträgt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die eigentliche Krimihandlung ist indes nicht weiter aufregend. Maria Fröbe hatte allem Anschein nach eine Affäre, und weil ihr das Verhältnis mutmaßlich zum Verhängnis geworden ist, beginnt die Suche nach Verdächtigen in ihrem unmittelbaren Umfeld. Erster Kandidat ist Malte (Karl Schaper), ein Mitarbeiter ihres Mannes Jochen (Jörn Hentschel), zweiter ist der Gatte selbst, denn der Dachdecker neigt unübersehbar zu Eifersucht und Jähzorn. Einen Dritten hat das Ermittlungstrio nicht auf dem Zettel, aber Regisseur Berno Kürten, auch er ein langjähriges Mitglied der "Nord Nord Mord"-Familie, gibt schon früh zu verstehen, dass es sich bei dem Geliebten um Pfarrer Tillich (Peter Jordan) handelt. Als Verdächtiger kommt der Gottesmann allerdings nicht in frage, denn Marias Mörder hat ihm die Tat am späten Abend gebeichtet. Der Mann hat geflüstert, der Beichtstuhl war dunkel, deshalb hat Tillich ihn nicht erkannt, was allerdings nicht ganz glaubwürdig ist, weil selbst die gesenkte Stimme noch so markant klingt, dass sie gut zu identifizieren ist.
Die Musik (Mario Grigorov, Steven Schwalbe) mit ihren integrierten Choralmelodien passt prima zu den gerade bei den Innenaufnahmen wohlgestalteten Bildern (Kamera: Georgij Pestov). Außerdem erfreut der Film durch den einen oder anderen stimmungsvollen Sonnenunter- und Mondaufgang überm Watt. Die Inszenierung ist ansonsten jedoch ähnlich unaufgeregt wie die Geschichte, zumal Kürten den Szenen auch mal bewusst die Schärfe nimmt: Als Fröbe seinen Angestellten krankenhausreif prügelt, weil auch er überzeugt ist, Malte sei Marias Geliebter gewesen, zeigt der Regisseur lieber einen herzigen Hasen, der gerade des Weges gehoppelt kommt.
Sehenswert ist "Sievers und die letzte Beichte" daher vor allem wegen der gern lakonisch oder, wie etwa beim "Driving Gag" der Titelfigur, ganz ohne Worte vorgetragenen kleinen Heiterkeiten. In diesen Momenten kommen auch die Nebendarsteller zu ihrem Recht; unter anderem gibt der vom Chef einige Male ordentlich gerüffelte Feldmann seinen Unmut umgehend an den eifrigen uniformierten Kollegen Schneider (Stephan A. Toelle) weiter, mit dem er sich einige Scharmützel liefert. Skurril sind auch die kleinen Einlagen von Uke Bosse, dank seiner prägnanten Erscheinung ohnehin eine perfekte Besetzung für kleine Rollen: Küster Ott, der nach dem Gottesdienst gern mal eine Hostie schnabuliert und einen herzhaften Schluck vom Messwein nimmt, sieht und hört vermutlich alles, sagt aber wenig.