So in etwa würde eine Meldung über das Verbrechen lauten. Der Vorfall hätte kurz für Schlagzeilen gesorgt und wäre dann in Vergessenheit geraten. Das Ereignis würde sich allenfalls als Inspiration für eine "True Crime"-Dokumentation eignen, weil es der Polizei so rasch gelungen ist, zumindest einen der Täter zu schnappen. Für einen TV-Krimi aber wäre das alles viel zu dünn, deshalb ist zumindest dieser Teil der Geschichte bereits nach zwanzig Minuten erzählt. Aber nun zeigt sich die Klasse von Jürgen Pomorin, der seine Drehbücher seit fast dreißig Jahren unter dem Autorenpseudonym Leo P. Ard verfasst und dabei regelmäßig Vorlagen für überdurchschnittlich gute Reihenkrimis liefert; das gilt auch für "Im Namen des Volkes".
Als klar ist, dass der Mörder nicht zu fassen ist, erklärt Teamchef Reddemann (Arnfried Lerche) die Ermittlungen von Otto Garber und Linett Wachow (Florian Martens, Stefanie Stappenbeck) für beendet; die Beweislage gegen den verhafteten Täter, Alexander Brösser (Vincent Krüger), hält er für ausreichend. Der Prozess endet jedoch mit einer Überraschung, denn einer der Richter hat erhebliche Zweifel an Brössers Schuld: Die Beute ist verschwunden, die Aussage der als Zeugin geladenen Angestellten, Leonie (Valerie Sophie Körfer), ist widersprüchlich. Weil sich eine Schöffin dieser Meinung anschließt, wird Brösser zur Empörung von Leonies Vater, Michael Seidel (Florian Stetter), freigesprochen. Die junge Frau bricht zusammen und leidet fortan derart heftig unter einem Posttraumatischen Belastungssyndrom, dass sie ins Krankenhaus muss.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Derweil ist der zweite Mann, Mike Holland (Nico Ehrenteit), aus Thailand zurückgekehrt und fordert die Hälfte der Beute, aber Brössers Freundin Eileen (Kristin Alia Hunold) hat keine Ahnung, wo der Schmuck versteckt ist. Als sie am Abend der Urteilsverkündung von der Arbeit kommt, findet sie die Leiche ihres Lebensgefährten. Erneut scheint der Fall klar: Beim Streit hat Holland seinen Komplizen erschossen. Seltsamerweise hat er jedoch nur seinen Anteil mitgenommen, weshalb Krimifans umgehend mutmaßen: Leonies Vater hat Selbstjustiz verübt. Der Psychotherapeut ist ohnehin verbittert, seit seine Frau auf offener Straße überfallen und ermordet worden ist.
Für den kriminalistisch versierten Teil des Publikums reduziert sich der Reiz des Films fortan auf die Frage, wie lange das Titelteam braucht, um Seidel auf die Spur zu kommen, doch dann nimmt die Handlung erneut eine überraschende Wende, denn Pomorin schüttelt ein Ass aus dem Ärmel, das er dort sehr clever und aus Sicht der Filmhandlung bereits einige Jahre zuvor deponiert hat; und plötzlich rückt Eileen ins Zentrum.
Sehenswert ist "Im Namen des Volkes" jedoch nicht nur wegen der Geschichte. Regie führte Martin Kinkel, dessen Beiträge zu der ehrwürdigen ZDF-Reihe – "Im Namen des Volkes" ist bereits Fall Nummer 91, Pomorin hat rund ein Drittel der Drehbücher geschrieben – allerdings nicht immer rundum gelungen waren. Der letzte Film ("Schulzeit", 2022) war in jeder Hinsicht sehenswert, aber frühere Arbeiten nervten schon mal durch eine hektische Kamera; und wenn das Handwerk stimmte, war die Führung der Nebendarsteller unglücklich. Diesmal passt alles, auch die Bildgestaltung, weil Kameramann Henning Jessel den Aufnahmen eine reizvolle Pastellanmutung gegeben hat.
Großen Spaß machen auch die kleinen Heiterkeiten. Florian Martens hat in dieser Hinsicht wie so oft die besten Dialoge; bei einem wie ihm klingen selbst abgestandene Influencer-Wortspiele ("dagegen bin ich geimpft") witzig. Der Gag bezieht sich auf die neue Einkommensidee von Revierfaktotum Sputnik (Jaecki Schwarz), der sich diesmal mit Bekleidungstipps für Herren ab fünfzig profilieren will, aber Garber sieht selbstredend keinerlei Veranlassung, etwas am "Otto-Look" ("praktisch, bequem, lässig") zu ändern. Sehr lustig ist auch eine Scharade des Kollegen Klöckner (Matthi Faust) als Berliner Pfandleiher mit entsprechendem Dialektimitat.