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8. Januar, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Totes Herz"
Der MDR hat mit seinem "Tatort" aus Dresden in den letzten Jahren zuverlässig für handwerklich herausragende, inhaltlich sehr besondere und zudem packende Krimis gesorgt.

Der Hochspannungs-Thriller "Das Nest" (2019) war der pure Horror, die gruselige Episode "Parasomnia" (2020) trieb die Grenzen des Genres weit in Richtung Mystery, und in "Katz und Maus" (2022) brach die virtuelle Realität in die Wirklichkeit ein. Im Vergleich zu diesen überdurchschnittlich guten Filmen mit ihren ungewöhnlichen Geschichten ist "Totes Herz" über weite Strecken ein ganz normaler Krimi, der zunächst von einem handelsüblichen Familiendrama erzählt. 

Spätestens zur Hälfte schlägt das Drehbuch von Kristin Derfler jedoch eine völlig andere Richtung ein, sodass der erste Akt wie ein viel zu langer Anlauf wirkt. Erst mit der epilogischen Abschluss-Sequenz erscheint die dennoch unnötig ausführliche Einführung in neuem Licht, weil sich die Ereignisse nun gänzlich anders darbieten.

Bis dahin könnte der Appell "Dranbleiben – es lohnt sich!" allerdings schon längst fruchtlos verpufft sein, weil der Film allzu freudlos daherkommt: Die Farben sind dunkel und erdig, die Figuren überwiegend wenig sympathisch, die Mitwirkenden abgesehen vom Kern-Ensemble größtenteils kaum bekannt und auch nicht weiter aufregend. Mit dem Wissen der letzten Bilder zeigt sich, wie clever die Geschichte konstruiert ist, welche Aussage der lange Kameraflug von einer Brücke zu einem am Ufer liegenden Ruderboot birgt und warum bald darauf ein Familienhund sterben muss.

Zunächst jedoch scheint es in "Totes Herz" um einen im Rahmen des Sonntagskrimis eher unspektakulären Fall zu gehen: Gärtnereibesitzerin Heike Teichmann wird im eigenen Gewächshaus mit einem Hammer erschlagen. Der Film bietet einen geistig behinderten jungen Mann als Verdächtigen an, denn die ersten Bilder werden aus seiner Sicht gezeigt. Juri Nowak (Alexander Schuster), der bei seiner in der Gärtnerei angestellten Schwester Swetlana (Lara Feith) lebt, gilt zwar als harmlos, nimmt jedoch Psychopharmaka und ist schon mal gewalttätig geworden.

Der Schwiegersohn des Opfers, Patrick Teichmann (Nico Rogner), will Juri mit dem Hammer in der Hand gesehen haben, und weil der Mann den beiden Kommissarinnen Gorniak und Winkler (Karin Hanczewski und Cornelia Gröschel) seltsam vorkommt, scheint der Fall recht bald klar; selbst Nadine, die eigene Ehefrau (Kristin Suckow), kann nicht ausschließen, dass der Gatte ihre Mutter auf dem Gewissen hat. 

Das Drehbuch der für anspruchsvolle Dramen wie "Es ist nicht vorbei", "Ellas Entscheidung" oder "Brüder" mehrfach ausgezeichneten Autorin nimmt noch allerlei Umwege, die ebenfalls ins Bild passen; unter anderem hat der Schwiegersohn ein Verhältnis mit Swetlana, und dann wird auch noch die kleine Tochter von Patrick und Nadine entführt. All’ das ist jedoch Füllmaterial, das sich im Nachhinein als völlig überflüssiges Nebengeplänkel erweist, als der Film endlich zur Sache kommt.

Diese eigentliche Geschichte ist ungleich interessanter, führt zurück in die DDR und befasst sich mit niederträchtigen Machenschaften, die bis in die Gegenwart hineinwirken. Buch und Regie (Andreas Herzog) streuen ein paar kleine Hinweise ein, die zumindest andeuten, dass der Fall doch etwas komplizierter sein könnte, als er sich anfangs darbietet.

So entdecken die Ermittlerinnen zum Beispiel am Schreibtisch des Opfers eine rätselhafte Notiz, die einen guten Filmtitel abgegeben hätte: "Blaues Wunder, roter Schal". Sie bezieht sich, wie sich später zeigt, auf eine Begegnung auf der "Blaues Wunder" genannten Loschwitzer Brücke, die Heike Teichmann den Boden unter den Füßen weggezogen hat. An einer Wand hängt das Plakat eines fiktiven Films, dessen Titel ebenfalls ein Schlüssel zur Lösung ist. Den eigentlichen Knüller hat sich Derfler allerdings für den Schluss aufgehoben, auch wenn versierte Krimifans zumindest von dieser Offenbarung nicht vollends überrascht sein dürften.

Filme von Regisseur Herzog ("Der Metzger", 2015) sind generell grundsätzlich mindestens sehenswert und oft auch herausragend. Eine seiner letzten Arbeiten war der famose Vierteiler "Die Toten von Marnow" (2021, ARD); seine Beiträge zu Krimireihen wie "Usedom" oder "Unter Verdacht" waren gleichfalls regelmäßig von bemerkenswerter Qualität. Auch deshalb überrascht der teilweise Leerlauf der ersten Hälfte, in der allein die Bildgestaltung (Marcus Kanter) mit ihren gekippten Achsen und den ausgefallenen Blickwinkeln besonders ist.