Auf dem digitalen Nachrichtenkanal Twitter postet ein Nutzer ein Bild von sich, auf dem er breit lächelt. "Dieser Mensch hatte da gerade schwere Depressionen. Sieht man nicht? Genau das ist das Problem", schreibt er unter das Foto. Er will zeigen: Eine Depression kann viele Gesichter haben. Versehen ist der Post mit dem Hashtag #notjustsad.
Betroffene wollen mit Vorurteilen aufräumen. Ihre Botschaft: Depressionen sind weitaus mehr, als nur traurig zu sein. #notjustsad ist nicht neu. Der Hashtag hat bereits im November 2014 für Aufmerksamkeit gesorgt - durch die Autorin und Twitter-Nutzerin Jana Seelig.
"Ich habe den Eindruck, dass sich viel getan hat, seit ich zum ersten Mal darüber getwittert habe, wie es sich für mich anfühlt, depressiv zu sein", sagte die 34-jährige Berlinerin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Seit immer mehr Prominente mit ihrer Depression an die Öffentlichkeit gingen, sei die Akzeptanz dafür, dass es sich um eine ernst zu nehmende Erkrankung handelt, die jeden treffen könne, deutlich gestiegen.
"Mich persönlich freut am meisten, dass sich immer mehr Menschen, die glauben, depressiv zu sein, trauen, damit auch zum Arzt zu gehen oder therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen", sagt Seelig. Ihr selbst gehe es derzeit gut, doch "es ist und bleibt ein Auf und Ab".
Ulrich Hegerl von der Deutschen Depressionshilfe bestätigte dem epd: "Die Diagnose Depression wird heute deutlich häufiger gestellt." Er stellt klar: "Es ist eine weit verbreitete Fehlannahme, dass Depressionen hauptsächlich durch äußere Umstände verursacht werden." Entscheidend sei die persönliche Veranlagung.
Antidepressiva und Therapie in Kombination sinnvoll
Die beiden wichtigsten Behandlungsmethoden seien Antidepressiva und Psychotherapie. Oft sei auch eine Kombination von beidem sinnvoll. "In einer Psychotherapie werden die Depression und ihre Begleiterscheinungen durch Gespräche und Übungen mit einem Psychotherapeuten behandelt."
Bundesweit leiden in jedem Jahr mehr als fünf Millionen Menschen an einer Depression. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Laut der repräsentativen Umfrage "Deutschland-Barometer Depression" wurde bereits bei jedem fünften Beschäftigen schon einmal eine Depression diagnostiziert. Als Hauptsymptome gelten Traurigkeit, Antriebslosigkeit und Desinteresse. Hinzu kommen Begleiterscheinungen wie Schlafstörungen, Appetitlosigkeit und ein vermindertes Selbstwertgefühl.
Andreas Altig (Name geändert) wurde im Jahr 2004 nach einem Suizidversuch ins Bezirksklinikum in Wasserburg am Inn eingewiesen. Es folgte die Diagnose Depression. Seit 2013 ist der Chemikant berufsunfähig. Im Jahr 2015 folgte ein weiterer Suizidversuch.
Seine aktuelle Therapie sei rein medikamentös und diene der Stabilisierung. "Es ist befundet, dass eine Verbesserung nicht mehr zu erwarten ist", sagte der Münchner dem epd. Er versuche die schönen Momente, die er im Leben noch habe, zu genießen.
"Viele Menschen zweifeln Krankheiten an, die sie nicht sehen können", sagt der 36-Jährige. "Einen gelähmten Menschen fordert niemand auf zu gehen. Von einem depressiven Menschen erwartet man aber zu funktionieren." Selbst alltägliche Dinge wie aufstehen, einkaufen gehen, essen und duschen seien in einer depressiven Phase so anstrengend wie ein ganzer Arbeitstag. "Menschen haben keine Ahnung, wie viel Kraft eine Depression raubt."
Wie er einem Kind seine Krankheit erklären würde? "Eine Depression ist wie eine Gewitterwolke, die kommt, während du mit Freunden auf einer Picknickdecke in der Sonne sitzt. Andere sehen die Wolke nicht, aber sie regnet auf dich. Sie folgt dir, wohin du gehst, du kannst ihr nicht entfliehen. Manchmal verschwindet sie, und du darfst den Tag genießen, manchmal begleitet sie dich über Wochen. Manchmal hörst du nur das Grollen des Donners, ohne die Wolke zu sehen, aber du weißt, dass sie jederzeit wiederkommen kann, egal wie hell die Sonne strahlt."