Die Schlagzeile "Wir sind Papst!" verbindet bis heute sicher viele Deutschen mit Benedikt XVI. Die "Bild"-Zeitung titelte damit am 20. April 2005, einen Tag nach der Wahl von Kardinal Joseph Ratzinger zum Oberhaupt der katholischen Kirche.
Die Wahl Ratzingers rief eine neue Art des Nationalstolzes wach. Denn der letzte "Deutsche" saß im 16. Jahrhundert zur Zeit des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation auf dem Heiligen Stuhl und war eigentlich gebürtiger Niederländer. Am Samstagmorgen, dem Silvestermorgen, starb Benedikt im Alter von 95 Jahren. Damit fällt sein Todesdatum auch auf den Todestag eines bekannten Amtsvorgängers, Papst Silvester, der in die Geschichte einging, weil er den ersten christlichen Kaiser, Kaiser Konstantin, taufte.
Benedikts Pontifikat endete ebenfalls mit zahlreichen Schlagzeilen: Im Februar 2013 erklärte er als erster Papst der Neuzeit aus Altersgründen seinen Rücktritt. So wurde er zum "Papa emeritus".
Benedikt XVI. wurde zu einer Jahrhundert-Figur. Am 16. April 1927 im bayerischen Marktl am Inn geboren, erlebt Joseph Ratzinger den Zweiten Weltkrieg noch als jugendlicher Flakhelfer. 1951 wurde er nach seinem Theologiestudium gemeinsam mit seinem Bruder Georg zum Priester geweiht. Mit gerade 31 Jahren wurde er Theologieprofessor. Er erhielt einen Lehrstuhl für Dogmatik zunächst in Freising, später in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg.
1977 wurde Ratzinger zum Erzbischof von München und Freising berufen. Das blieb er jedoch nur vier Jahre, 1981 machte ihn Papst Johannes Paul II. zum Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation, also zum Hüter der katholischen Glaubenslehre. 2005 wurde er nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. zu dessen Nachfolger gewählt.
Seine ersten Auslandsreisen führten Benedikt 2005 zum Weltjugendtag nach Köln und 2006 nach Bayern. Erst 2011 stattete er seiner Heimat Deutschland einen offiziellen Besuch mit Stationen in Berlin, Erfurt und Freiburg ab. Im Juni 2020 reiste Benedikt noch einmal überraschend von Rom nach Deutschland, um sich von seinem todkranken Bruder zu verabschieden. Georg Ratzinger - früherer Leiter des weltberühmten Knabenchors Regensburger Domspatzen - starb kurz darauf am 1. Juli im Alter von 96 Jahren.
Auch als Papst Benedikt behielt Ratzinger das Image eines Theologieprofessors. In zahlreichen Büchern warb er für die katholische Lehre. Doch sein Pontifikat verlief nicht ohne Spannungen: 2006 löste Benedikt in seiner sogenannten Regensburger Rede weltweit heftige Proteste aus, obwohl er sich dabei zu Ökumene und interreligiösem Dialog bekannte. Das Zitat eines byzantinischen Kaisers, nach dem der Islam "nur Schlechtes und Inhumanes" mit sich gebracht habe, wurde trotz gegenteiliger Beteuerungen als seine persönliche Meinung aufgefasst.
Wer nach der fast 27 Jahre langen Amtszeit von Johannes Paul II. erwartet hatte, Benedikt werde Reformen vornehmen, wurde enttäuscht. Wer Papst Franziskus wegen seines Reformkurses kritisieren wollte, lobte Benedikt als Bewahrer der traditionellen Lehre. "Ratzinger war immer ein progressiver Theologe, nur wurde der Begriff progressiv anders verstanden als heute: als Modernisierung des Hauses, nicht als dessen Abriss", sagte sein Biograf Peter Seewald in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" 2020.
Kurz vor seinem Tod geriet Benedikt durch ein unabhängiges Missbrauchsgutachten seines früheren Erzbistums nochmal in die Schlagzeilen. Die juristischen Gutachter warfen ihm Fehlverhalten im Umgang mit katholischen Priestern vor, die als Missbrauchstäter in Erscheinung getreten waren. Benedikt bestritt die Vorwürfe bis zuletzt.
Milde gegen ultrakonservative Piusbruderschaft
Während seines Pontifikats stand er mehrmals heftig in der Kritik. So sorgte die Aufhebung der Exkommunikation für vier Bischöfe der ultrakonservativen Piusbruderschaft, darunter der Holocaust-Leugner Richard Williamson, für einen Skandal. Die schärfste Kritik brachten Benedikt die Missbrauchs-Skandale in Deutschland und Irland ein. In einem Hirtenbrief an die irischen Bischöfe bedauerte er 2009 sexuellen Missbrauch von Kindern durch Kleriker und bat die Opfer um Verzeihung. Dabei stellte er Missbrauch jedoch als Vergehen einzelner Priester und nicht der Kirche dar. Doch war er auch der erste Papst, der sich mit Missbrauchsopfern traf.
Im Dialog mit anderen Kirchen setzte Benedikt auf eine Stärkung der katholischen Identität. Bei der Begegnung mit den Spitzen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im ehemaligen Augustinerkloster von Erfurt erteilte er 2011 Erwartungen an ein "ökumenisches Gastgeschenk" eine Absage. Der Dialog zwischen Katholiken und Protestanten folge nicht den Regeln von politischen Verhandlungen, betonte er im Blick auf Forderungen nach gemeinsamen Abendmahlsfeiern. Ausgerechnet hier weckte sein Nachfolger Papst Franziskus wieder neue Hoffnungen auf eine Annäherung zwischen Protestanten und Katholiken - die zuletzt allerdings auch enttäuscht wurden.
Der "Papa emeritus" lebte in den letzten Jahren zurückgezogen in einem Kloster in den vatikanischen Gärten. Noch bis kurz vor seinem Tod soll er täglich die Messe konzelebriert haben. Reden fiel ihm schwer, aber er schrieb und las immer noch täglich, wie sein Privatsekretär Kurienerzbischof Georg Gänswein einmal sagte.