Als Tatzeuge ist ein Räuchermännchen eher untauglich; aber als Hinweis auf den Täter taugt es durchaus. Das kann das Duo Winkler und Szabo (Kai Scheve, Lara Mandoki) zunächst aber natürlich noch nicht ahnen, als ein Mann in einem Bergwerk von einem Stollenzug überrollt wird. Er hatte zuvor die "Mettenschicht" besucht, wie auch der Arbeitstitel dieses siebten "Erzgebirgskrimis" lautete. Weil "Schicht im Schacht" zu makaber gewesen wäre, trägt der Film nun den eher beliebigen Alternativtitel "Ein Mord zu Weihnachten"; die Verantwortlichen gingen sicher zu recht davon aus, dass ein Großteil des Publikums mit dem Begriff "Mettenschicht" nichts anfangen könnte.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
So heißt in der Sprache der Bergleute die mit einer Christmette endende letzte Schicht vor Weihnachten. Das Bergwerk, in dem Bernhard Markert mit einem Räuchermännchen in der Hand gestorben ist, wird zwar schon lange nicht mehr genutzt, doch die alten Bräuche werden inklusive Bergmannskapelle und Steigerlied nach wie vor gepflegt; sie sind es auch, denen die ZDF-Reihe ihren besonderen Charme verdankt.
Und noch etwas zeichnet den Film aus: Gerade in den Reihenkrimis hat Corona praktisch nie stattgefunden. Das ist in dieser Geschichte von Leo P. Ard und Produzent Rainer Jahreis anders, denn Familie Markert betreibt eine Holzmanufaktur, in der seit Generationen in Handarbeit die typische Weihnachtskunst aus dem Erzgebirge hergestellt wird. Vor diesem Hintergrund entwickelt das Autorenduo, das fast alle bisherigen Drehbücher gemeinsam geschrieben hat, eine Handlung, die sich allerdings an den typischen Eckpunkten familiärer Krimidramen orientiert: Vater Markert hat zwei Söhne, aber offenbar nur Bernhard zugetraut, den Betrieb in seinem Sinne weiterzuführen. Der andere, Jens (Christian Sengewald), hat ein Hotel gekauft, kann jedoch die Schulden nicht bezahlen, und seine Familie will ihm nicht helfen.
Schwiegertochter Viola (Marie Rönnebeck) war mit Bernhard nicht mehr glücklich und hat mit Jens eine Affäre begonnen. Somit liegt auf der Hand, wer hier hauptverdächtig ist: Viola hat ein Alibi, bleibt also nur Jens. Am Ende war’s selbstredend ganz ein anderer, und weil die entsprechende Besetzung etwas einfallslos anmutet, ist die Auflösung der Krimiebene ebenso wenig überraschend wie die Antwort auf die Frage, in welchem Verhältnis Vater Markert zur reizenden Tochter einer japanischen Geschäftspartnerin steht.
Wirklich interessant ist an "Ein Mord zu Weihnachten" neben den Ausführungen zum Zusammenbruch des Exportgeschäfts nach dem Ende der DDR daher der Corona-Aspekt, denn weil es während der Pandemie kaum noch Weihnachtsmärkte gegeben hat, sind die Umsätze radikal eingebrochen. Trotzdem hat der alte Markert sein Unternehmen ohne Kündigungen sicher durch die Krise geführt, und neben der Idee, das traditionelle Handwerk als Hintergrund zu wählen, erweist sich auch die Wahl des Episodenhauptdarstellers als Einschaltgrund.
Hannes Markert ist die tragische Figur der Geschichte, denn er hat nun beide Söhne verloren. Wolfgang Stumph verkörpert diesen Mann, der angesichts des drohenden Verlusts seines Lebenswerks innerlich zwar gebrochen ist, äußerlich jedoch Haltung bewahrt, ungemein anrührend. Im Vergleich zur Aura dieses großen Volksschauspielers wirkt der Rest des Ensembles, bei allem Respekt, eifrig bemüht. Gerade im mittleren Drittel wird es zwar sehr emotional, doch gleichzeitig schleichen sich auch gewisse Längen ein. Halbwegs spannend wird es erst wieder gegen Ende, als die junge Japanerin bei Minusgraden orientierungslos durch die Wälder irrt; Julia Strowski empfiehlt sich mit Nachdruck für weitere Aufgaben.
Die Inszenierung durch den "Bergdoktor"-geschulten Regisseur Axel Barth ist solide, aber gänzlich unspektakulär. Auffällig ist allein die Lichtarbeit des erfahrenen Kameramanns Simon Schmejkal. Der Auftakt mit seinen Lichtinseln im Stollen und den an Fritz-Lang-Klassiker erinnernden riesenhaften Schatten ist in dieser Hinsicht ebenso sehenswert wie später die bezaubernde Beleuchtung eines Weihnachtsmarkts. Das Drehbuch wiederum erfreut zwar durch seinen Handlungsreichtum, ist aber immer wieder mal sehr dialoglastig, wenn Försterin Saskia Bergelt (Teresa Weißbach) und ihr Vater (Andreas Schmidt-Schaller) den Kommissar aus Chemnitz durchs "Who is who" der diversen Beteiligten führen.
Sehr schön ausgedacht und dargestellt ist dagegen die schon seit Beginn der Reihe schwelende Romanze zwischen Saskia und Winkler, zumal sie der Kollegin Szabo die Gelegenheit für eine allerdings unbeabsichtigte Revanche gibt: Der Chef hält sie in praktisch jedem Film vom gemütlichen Frühstück ab; diesmal ist sie es, die verhindert, dass es endlich zum ersten Kuss zwischen dem potenziellen Liebespaar kommt. Sehr sympathisch ist auch das doppelt positive Ende; an Heiligabend gibt’s bei Borgelts selbstverständlich Neunerlei.