Vorbereitungen treffen für bessere Zeiten - viel mehr kann der Vorstand des Deutsch-Russischen Forums momentan nicht tun. Nach dem Überfall auf die Ukraine im Februar dieses Jahres wurden deutsch-russische Austausch-Programme gestoppt, Städtepartnerschaften auf Eis gelegt, die einstige Wirtschaftszusammenarbeit befindet sich im freien Fall. In solchen Zeiten den Vorsitz des Vereins zu übernehmen, der sich dem Dialog zwischen den Menschen in Deutschland und Russland verschrieben hat, verspricht viel Ärger und keine schnellen Erfolgserlebnisse. Pfarrerin Petra Schwermann hat es trotzdem gemacht.
"Man sollte Dinge nicht zu tief ins Gefrierfach legen, damit man sie einmal wieder auftauen kann", sagt die evangelische Theologin über ihre Motive. Die 52-Jährige wurde im November von der Mitgliederversammlung in das heikle Ehrenamt gewählt, das seit Beginn des Krieges vakant geblieben war. Ihr Vorgänger, der frühere brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), hatte nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar den Vorsitz desillusioniert niedergelegt. Bevor Schwermann sich zur Wahl stellte, besprach sie sich mit ihrem Arbeitgeber. Die kurhessische Kirchenleitung sei einverstanden gewesen, sagt sie.
Seit 2020 leitet die Pfarrerin das regionale Diakonische Werk des nordhessischen Kirchenkreises Schwalm-Eder und ist unter anderem zuständig für Beratungsstellen, die regionalen Tafeln und einen Second-Hand-Laden. Zuvor war sie viele Jahre lang Pressesprecherin der Landeskirche in Kassel. 2012 hatte sie erstmals an einer Konferenz des einst von Gerhard Schröder und Wladimir Putin ins Leben gerufenen deutsch-russischen "Petersburger Dialogs" teilgenommen. "Das war meine erste Begegnung mit Russland", sagt Schwermann.
In den folgenden Jahren knüpfte sie immer mehr Kontakte zu russischen Sozialinitiativen, Medienschaffenden und Kirchenleuten. Dabei lernte sie viele am Austausch interessierte Menschen kennen. Gerade auch in der orthodoxen Kirche, die im Westen für ihre fehlende Distanz zur Putin-Führung und deren neoimperialistischer Politik im Kreuzfeuer der Kritik steht, gebe es viele kritische Geister.
Der Kriegsbeginn im Frühjahr stellte auch für das Deutsch-Russische Forum eine Zäsur dar - obwohl sich die immer tiefere Krise zwischen Russland und dem Westen seit Jahren abzeichnete. Rund ein Viertel der Mitglieder habe den Verein als Reaktion auf den Ukraine-Krieg verlassen, sagt Geschäftsführer Martin Hoffmann. Alle bisherigen Projekte ruhen, die künftige Ausrichtung der Organisation ist offen. Der "Petersburger Dialog", der von deutscher Seite maßgeblich durch das Deutsch-Russische Forum vorbereitet wurde und wegen der Auswahl vieler staatsnaher Teilnehmer immer wieder auch medial in der Kritik stand, fand 2019 zum letzten Mal statt und soll komplett aufgelöst werden.
Eine mögliche neue Aufgabe sieht das Forum darin, regionale Partnerschaftsvereine oder Sozialinitiativen zu beraten, wie sie mit der veränderten politischen Lage umgehen können. Auch mit einer eigenen "friedensethischen Positionierung" könnte das Forum Akzente setzen, glaubt Schwermann. Deutsch-russische Treffen selbst zu unpolitischen Themen scheinen hingegen derzeit kaum sinnvoll durchführbar, um dem Anliegen nicht zu schaden oder Teilnehmer nicht in Gefahr zu bringen. Die Jagd der russischen Behörden auf "ausländische Agenten" und Kritiker des Kriegskurses, aber auch deutlich verschärfte Einreiseregeln der EU für russische Staatsbürger und unterbrochene Verkehrsverbindungen sind nur einige der aktuellen Hürden.
"Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir eine Zeit erleben werden, in der wir uns wieder verständigen können", sagt Schwermann. Die Partner im Osten sollten wissen, dass es in Deutschland weiter Interesse an den Menschen in Russland gebe. Seit Kriegsbeginn war sie noch nicht wieder dort. Wenn es einen Anlass gäbe, sagt sie, würde sie aber hinfahren.