"Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau. Hinter jeder erfolgreichen Frau steht ein Mann, der sie zurückhält" - klingt lustig, ist aber selbst heute noch oft genug bitterer Ernst. Der Hollywood-Film "Hidden Figures" (2016) hat vor einigen Jahren das Verdienst jener "unbekannten Heldinnen" (so der deutsche Titelzusatz) gewürdigt, deren erheblicher Anteil am Erfolg des US-Raumfahrtprogramms jahrzehntelang unterschlagen worden ist: Sie waren Frauen, und sie waren schwarz.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
"Das Wunder von Kapstadt" erzählt eine ähnliche Geschichte. Zentrale Figur ist die ehrgeizige junge Lisa (Sonja Gerhardt), die unbedingt mit dem berühmten Berliner Herzchirurgen Kohlfeld (Fritz Karl) zusammenarbeiten will. Die Handlung des Dramas trägt sich 1967 zu, medizinische Koryphäen galten als Halbgötter in Weiß, Göttinnen waren nicht vorgesehen; Kohlfeld kürt selbstredend einen Mann zum neuen Assistenten, obwohl Lisa eindeutig besser qualifiziert ist.
In ihrem Zorn kopiert sie die Forschungsergebnisse des Professors, der mit der ersten Herztransplantation Medizingeschichte schreiben will, und bietet ihre Dienste dem südafrikanischen Konkurrenten Christiaan Barnard (Alexander Scheer) an. Auf diese Weise nimmt sie gleich doppelt Rache: Ihre Mutter war einst Kohlfelds OP-Schwester. Der Doktor hat sie erst geschwängert und dann entlassen. Er hat keine Ahnung, dass Lisa sein Kind ist.
Natürlich soll die Anti-Beziehung zwischen Vater und Tochter die emotionale Fallhöhe vergrößern, aber die Handlung hätte problemlos auch ohne diese Negativversion des in der Psychoanalyse als "Elektrakomplex" bekannten Phänomens funktioniert. Andererseits kann Drehbuchautor Christoph Silber seiner Heldin auf diese Weise am Schluss des Films einen triumphierenden Abgang ermöglichen.
Bis dahin ist "Das Wunder von Kapstadt" in erster Linie eine Hommage an Barnard, selbst wenn der Chirurg keine Skrupel hat, den Forschungsvorsprung seines deutschen Kollegen auf unlautere Weise wettzumachen: Lisa versorgt ihn auch dank ihres guten Kontakts zu Kohlfelds neuem Assistenten mit den nötigen medizinischen Informationen; am Ende ist es Barnard, der Geschichte schreibt.
Lisa ist eine fiktive Figur, sie soll all’ jene Frauen repräsentieren, deren Leistungen unbesungen sind, weil der Ruhm stets Männern vorbehalten blieb. Silber würdigt mit seinem Drehbuch neben Barnard jedoch noch eine weitere authentische Person: Offiziell ist Hamilton Naki (Loyiso Macdonald) bloß Gärtner in der klinikeigenen Grünanlage. Tatsächlich hat dieser Mann, der nie eine medizinische Ausbildung genossen hat, mindestens ebenso großen Anteil an der erfolgreichen Herzverpflanzung wie Lisa, weil Barnards Erfolg untrennbar mit seinen Forschungen verbunden sind. Nakis Beitrag zur Transplantationsmedizin wurde erst Jahrzehnte später gewürdigt: Er war Schwarzer.
Dies ist neben dem Vater/Tochter-Konflikt und der medizinischen Ebene der dritte Aspekt des Films: Bereits bei ihrer Ankunft erfährt Lisa, was Apartheid bedeutet, als sie im Taxi beobachtet, wie ein Mann auf offener Straßen von Polizisten erst verprügelt und dann erschossen wird; er hatte den Fehler begangen, das Zentrum von Kapstadt ohne Ausweis betreten zu wollen. Lisa, die anscheinend keine Ahnung von der sogenannten Rassentrennung hat, nähert sich Naki dagegen ohne jeden Vorbehalt. Zum Glück hat Silber den beiden nicht auch noch eine Romanze angedichtet.
Der einst für einen "Tatort" ("Auf der Sonnenseite", 2008) mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete und mit vielen weiteren Ehrungen bedachte Autor hat vor einigen Jahren gemeinsam mit Thorsten Wettcke eine ähnliche Geschichte erzählt: "Das Wunder von Kärnten" (2012) würdigte die Leistungen eines jungen Herzchirurgen, der 1998 ein ertrunkenes vierjähriges Mädchen gerettet hat; das Drama hat damals den International Emmy Award bekommen.
Solche Ehrungen dürften dem "Wunder von Kapstadt" vermutlich nicht zuteil werden. Dass das von Franziska Buch routiniert inszenierte Drama dennoch sehenswert ist, liegt vor allem am vorzüglichen Ensemble: Sonja Gerhardt verkörpert wie schon in der "Ku’damm"-Trilogie des ZDF (2016 bis 2021) eine selbstbewusste junge Frau, die unbeirrt an die "Kühnheit unserer Träume" glaubt, wie sie es zu Beginn des Films aus dem Off formuliert. Alexander Scheer, der in seinen Figuren von David Bowie bis zu Gerhard Gundermann regelrecht zu verschwinden scheint, ist ohnehin ein Ausnahmeschauspieler. Eine echte Entdeckung ist die Österreicherin Clara Wolfram in ihrer ersten TV-Rolle als Barnards Assistentin.