epd: Herr Kienlein, Sie sind ein Team von fünf Männern, die zwischen Erlangen und Weißenburg auf Anfrage den Nikolaus spielen. Wer steckt unter den roten Kostümen?
Jürgen Kienlein: Wir sind alles ältere Herren, ich bin mit meinen 55 Jahren der Jüngste. Wir hatten einen Zahnarzt dabei, andere sind Ingenieure, ich selbst bin Heilpädagoge. Ursprünglich haben wir unseren Dienst als Studenten über die Studentenvermittlung angeboten, aber jetzt sind leider schon lange keine jungen Leute mehr unter uns. Seitdem übernehme ich selbst die Auftragsverteilung. Wir machen das, weil es uns einfach gefällt. Jedes Jahr ist das eine neue Magie, wenn wir die Freude bei den Kindern sehen.
Trotzdem werden Sie immer weniger. Einerseits kommt kein Nachwuchs dazu, andererseits werden Sie schon seit Jahren weniger beauftragt und müssen weitere Strecken zu ihren Kunden fahren. Können Sie sich erklären, woher das kommt? Liegt das auch an der Pandemie?
Kienlein: Im ersten Coronajahr sind wir gar nicht ausgerückt, im zweiten Jahr dann mit Maske und Abstand draußen. Aber ich glaube nicht, dass es an Corona liegt. Die Tradition stirbt langsam aus. Dieses Jahr habe ich zum Nikolaus keinen einzigen neuen Auftrag bekommen, ich gehe nur zu Stammkunden. Viele wissen gar nicht mehr, dass es das Angebot gibt - wir machen ja auch nicht groß Werbung. Manche Eltern erzählen, sie wollen ihre Kinder nicht belügen, weil den Nikolaus gibt es ja gar nicht. Andere schätzen die Magie, die entsteht, wenn jemand reinkommt und die Kinder sich freuen, die ganze Familie dabei ist. Das Schönste ist dann, wenn diejenigen, die ich als Kinder schon besucht habe, mich für ihre eigenen Kinder anfragen. Es ist echt schön, wenn man sieht, dass diese Tradition fortgeführt wird.
"Das Schönste ist dann, wenn diejenigen, die ich als Kinder schon besucht habe, mich für ihre eigenen Kinder anfragen"
Manche erinnern sich an die Nikolaus-Besuche in ihrer Kindheit eher mit Schrecken.
Kienlein: Wir sagen den Eltern immer, dass wir auf keinen Fall die Ersatzerzieher sind oder wie früher die Kinder fertig machen. Jedes Kind soll diese Erinnerung liebevoll im Herzen behalten. Der Nikolaus und die ganzen Sagenfiguren treten als gute Menschen auf - so waren sie ja auch historisch. Die kommen, um Menschen zu beschenken und ihnen zu helfen, nicht um Leute zu verängstigen.
Wie gehen Sie auf die Kinder zu?
Kienlein: Der Mann, der da auftritt, muss mit Menschen umgehen können und sich auch auf eine Situation einstellen können. Wenn ich reinkomme und die Kinder kleiner sind, vielleicht auch etwas ängstlich und das noch nicht kennen, gehe ich erst einmal auf die Knie. Und dann dürfen sie erzählen: Wie ist es so im Kindergarten? Was mögen sie für Musik? Was wissen sie denn schon über den Nikolaus? Ich interessiere mich einfach für sie. Das lockert das Ganze schon auf. Dann mache ich vielleicht noch den ein oder anderen Scherz und dann kann man so richtig einsteigen. Ich kann zu meinem goldenen Buch gehen und dem Kind erzählen, dass es gut ist und was es toll macht und es wird gelobt. Dann gibt es vielleicht auch ein paar Sachen, wo ich sage: Da müsst ihr was ändern, vielleicht besser Zähne putzen oder das Zimmer aufräumen. Die wissen es meistens selber ganz genau, was da ist. Manchmal spielen die Kinder was auf Instrumenten vor oder erzählen ein Gedicht, das überlasse ich der Familie.
Als Pädagoge sind Sie vermutlich genau der Richtige für diese Aufgabe.
Kienlein: Ich habe das auch vorher schon gemacht. Als Ministrant war ich schon als Nikolaus unterwegs und das hat mir immer Spaß gemacht. Ich habe dann eine ökumenische Jugendgruppe geleitet, da haben wir Spendenaktionen unterstützt und Stollen oder Plätzchen verkauft.
Wer eigentlich dieser Nikolaus war und warum wir am 06. Dezember den Nikolaustag feiern, erfahren Sie in diesem Video: