Man kann auch in einer kalten Kirche fröhlich Gottesdienst feiern. Das sagte die Bischöfin der evangelischen Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt, Anfang November in Magdeburg. Die Außentemperaturen waren da für den Herbst noch ziemlich mild. Doch pünktlich mit Beginn der Adventszeit sinken überall in Deutschland die Temperaturen, und damit beginnt nun auch das Bibbern und Frieren für viele Gottesdienstbesucher. Denn in vielen Kirchengemeinden wird wegen der Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine nicht oder nur ein bisschen geheizt.
Schon in der Corona-Pandemie sei die Kirche kalt geblieben, sagt Thomas Zeitler, Pfarrer an der Kunst- und Kulturkirche in Nürnberg. "In der Kirche heizen wir schon seit zwei Jahren nicht, weil sonst die Aerosole Samba getanzt hätten", erzählt er. Da seien es die Leute fast schon gewohnt, dass die Kirche auch in diesem Jahr kalt bleibe - "und wir verteilen Decken".
Wie in Nürnberg ist es in Gemeinden in ganz Deutschland, die Kirchen unterhalten mehr als 40.000 Sakralgebäude und gehören damit bundesweit zu den größten Eigentümern von Immobilien.
Auch in München St. Lukas bleibt die Kirche kalt, sagt Pfarrer Steve Henkel: "Zumindest so lange, bis die Luftfeuchtigkeit zu hoch für die Orgel wird." Auf der Internetseite findet sich als kleiner Gag für die Kirchenbesucher ein Link zu einer Webcam, die ein digitales Thermometer filmt. Derzeit beträgt die Temperatur rund zwölf Grad.
Die Orgel macht auch Pfarrer Lars Schütt aus Düsseldorf zu schaffen. "Wir haben nur die Möglichkeit, die Heizungen in den Kirchen entweder ganz abzuschalten oder laufen zu lassen. Nur punktuell Heizen ist zu kompliziert, weil man ja wegen der Orgel nicht mehr als ein Grad pro Stunde Veränderung haben darf und eine bestimmte Luftfeuchtigkeit", erklärt er. Auch Schütt hat Decken für die Kirchenbesucher angeschafft.
Die Bausubstanz der meisten Kirchen, vor allem die der älteren, verträgt niedrige Temperaturen und den Wechsel zwischen kalt und warm recht gut. Das Problem beim Heizen ist aber meistens die Orgel, erklärt die evangelische Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland (KiBa). Orgeln mögen keine Temperaturschwankungen. Auch schnelle Veränderungen der Luftfeuchtigkeit sind für die Instrumente oft schädlich.
Die Frankfurter Kirchenmusikerin Elisabeth Schwarz-Gangel hatte schon Probleme mit der Orgel. Viele Kirchenmusiker und Kantorinnen seien überhaupt nicht glücklich, weil sie in die Energiesparpläne der Gemeinden und Kirchenkreise häufig nicht einbezogen würden. Sie hat in diesem Herbst schon blockierte Pfeifen an einer üblichen mechanischen Orgel erlebt. In den 60er-Jahren eingesetzte Bauteile verändern sich bei Kälte so, dass die Luft nicht mehr gleichmäßig durch die geöffneten Ventile strömen kann. Dann hilft es nur, buchstäblich alle Register zu ziehen und blockweise die Pfeifen durchzupusten, erzählt sie.
Orgeln könnten Schaden nehmen, wenn sie dauerhaft mit Feuchtigkeit geschwängerter Luft ausgesetzt seien, sagt Schwarz-Gangel. Es sei sogar möglich, dass sich Schimmel im Innern der Orgel bilde. Das bemerke man aber oft erst, wenn der Organist Husten bekomme, habe der Orgelbauer ihr gesagt.
Glühwein zu Heiligabend zum Durchwärmen
In der Thomas-Kirchengemeinde in Bonn sieht das Energiesparkonzept vor, dass die Raumtemperatur in den Gemeinderäumen, die von Mitarbeitenden, Gruppen und Kreisen genutzt werden, 19 Grad nicht überschreiten soll. Doch Pfarrer Oliver Ploch hat es abgelehnt, eigens Decken anzuschaffen. Denn im Durchschnitt kommen rund 200 Gottesdienstbesucher. Stattdessen sollen die Menschen eigene Decken mitbringen. An Heiligabend aber wird es nach den Weihnachtsgottesdiensten Glühwein geben.