Bruder Stephan Oppermann trägt die bescheidene dunkle Mönchskutte der Benediktiner. Doch eine Haarsträhne, die versehentlich einen ordentlichen Klacks blauer Ölfarbe abgekommen hat, verrät seine Leidenschaft. Vorbei an zahllosen Keramikformen, Brennöfen und grellen, zum Trocknen aufgehängten Stoffbildern, die noch von einem "Action Painting"-Kurs für Manager stammen, führt er Besucher zu seinem jüngsten Werk. Seit einiger Zeit arbeitet er an einem monumentalen, dreiteiligen abstrakten Altargemälde. Das soll bald einen ganz besonderen Raum schmücken - den Alten Dom von Mainz, die heutige evangelische St. Johanniskirche.
"Und Gottes Geist schwebte über dem Wasser", heißt es ganz am Anfang der Bibel in der Schöpfungsgeschichte. Oppermann, der seit 15 Jahren im Kloster Maria Laach in der Eifel lebt, hat mit etwa 50 Schichten Farbe aufgemalt, wie er sich diesen Beginn der Welt vorstellt. Ruhiges Dunkelblau an den Rändern und zur Mitte hin immer mehr chaotisches weißes Licht. "Mir ist es wichtig, Menschen teilhaben zu lassen, wie mein Weg des Glaubens aussieht", sagt der Künstler. "Das ist wie eine Predigt in Farbe", meint er mit Blick auf das rund sechs mal drei Meter große Bild.
Der 40-Jährige entspricht nicht exakt dem Klischee, das Normalbürger sich gemeinhin von einem katholischen Mönch machen. "Unser Leben hat mit Lebensfremdheit nichts zu tun", sagt er, "ich leite fünf Betriebe, habe meine regelmäßigen Sitzungen." In seine Zuständigkeit gehört auch die Keramikwerkstatt des Klosters, in der Geschirr für den Klosterladen ebenso produziert wird wie individuell gestaltete Urnen. Das Kunsthandwerk hat bei den Benediktinern in der Abtei am Laacher See eine lange Geschichte.
In den vergangenen Jahren entstanden hier auch schon viele Kunstaktionen, mit denen der Benediktinermönch von sich reden machte. Hinter den Werkbänken sind beispielsweise noch immer zwei überdimensionale weiße Gipsfüße zu bestaunen, die für einen Karfreitagsgottesdienst in eine katholische Kirche nach Nordrhein-Westfalen gebracht worden waren, wo ein junger Messdiener dann riesige Nägel hineinschlug.
Die kleinen Ton-Kreuze auf dem Tisch an der Eingangstür sind Restbestände, die als Bestandteil einer "Segensbox" an Familien aus dem überfluteten Ahrtal verschenkt wurden. Vor dem Eingang stehen auch einige Holzskulpturen, die Bruder Stephan mit der Kettensäge geschaffen hat. "Hier arbeiten 290 Leute, die machen alle mal Krach", kommentiert er lapidar die Frage, wie eine Motorsäge zum beschaulichen Klosterleben passt.
Dass sein blau-weißer Schöpfungsakt nun zunächst ausgerechnet in eine evangelische Kirche kommen soll, findet der Künstler nicht ungewöhnlich. "Ich mache natürlich schon gerne Arbeiten für Räume, in denen gebetet wird", stellt er klar. "Die Konfession spielt für mich aber keine Rolle."
Nach St. Johannis in Mainz dürfte das große Triptychon mit all seinen blau-weißen Turbulenzen hervorragend passen. Die Basilika steht seit rund 1.500 Jahren und ist somit eine der ältesten christlichen Kirchen Deutschlands.
Die enorme kulturhistorische Bedeutung von St. Johannis wurde erst im Zuge umfangreicher archäologischer Grabungen in vollem Umfang klar, allerdings gleich die einstige Mainzer Bischofskirche seither - seit mittlerweile fast zehn Jahren - einer riesigen Baustelle. Noch immer ist weitgehend unklar, wie der riesige Innenraum nach Abschluss der Arbeiten einmal aussehen wird und wer die Kosten für die Wiederherrichtung tragen wird.
Die Kirchengemeinde von St. Johannis bemüht sich aber bereits jetzt nach Kräften, den historischen Ort so weit wie möglich schon jetzt wieder mit Leben zu füllen. Das Altarbild aus der Eifel, hoffen sie, soll zum Blickfang für Besucher und Gottesdienstgemeinde werden. Wie lange Oppermanns Schöpfungswerk in St. Johannis bleiben kann, muss noch besprochen werden. Details zum Standort und zur Befestigung müssen die Verantwortlichen ebenfalls noch regeln, doch Gemeindepfarrer Volker Truschel ist sich sicher: "Wir kriegen das hin."
Angst davor, dass das Kunstwerk in der Kirchenbaustelle Schaden nehmen könnte, müssen die Mainzer nicht haben, denn Bruder Stephan Oppermann sieht das ganz pragmatisch: "Wenn es zustaubt, saugt man es halt wieder ab."