Dass der Entführer seinem Opfer ein mobiles Telefon mit ins potenzielle Grab gegeben hat, geschah ebenfalls nicht aus Nettigkeit: Der Kontakt erhöht bloß die seelische Qualen aller Beteiligten. Die Ortung ergibt einen Radius von acht Kilometern; das entspricht trotz eines riesigen Aufgebots an Helfern der Fahndung nach der Nadel im niederösterreichischen Heuhaufen.
All’ das liegt zunächst jedoch in scheinbar weiter Ferne, denn der Thriller beginnt als heiterer Freundschaftsfilm: Max Broll (Laurence Rupp), seines Zeichens Totengräber, wird Opfer eines Streichs seines Freundes Kai Baroni (Jürgen Vogel). Max will sich revanchieren und sorgt dabei sehr zum Unmut des Pfarrers für Scherben. Am Abend schauen sich die beiden Kumpane auf einer Großbildleinwand den Zombie-Klassiker "Die Nacht der lebenden Toten" an; direkt neben dem Friedhof.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Der Tonfall ändert sich, als Max beim Bierholen auf seinem Küchentisch ein "Senioren-Handy" entdeckt. Als er die eingespeicherte Nummer wählt, meldet sich Stiefmutter Tilda (Bettina Redlich) in ihrer unterirdischen Gruft. Die Polizistin weiß auch, wem sie ihr Schicksal zu verdanken hat: Vor 18 Jahren hat ihre Aussage einen Mann ins Gefängnis gebracht, der seinerzeit als Koryphäe für künstliche Befruchtung galt; allerdings hat er den Patientinnen sein eigenes Sperma untergejubelt. Die Haftstrafe verbüßt er jedoch, weil er seine eigene Frau auf dem Gewissen hat. Broll und Baroni überzeugen sich mit eigenen Augen, dass sich Leopold Wagner (Martin Wuttke) tatsächlich im Knast befindet.
Während Jürgen Vogel den ehemaligen Fußballstar Baroni gewohnt lässig anlegt, spielt Laurence Rupp den Totengräber mit großer Hingabe. Das wirkt mitunter übereifrig, aber andererseits steht Broll natürlich auch unter enormem Druck, denn Tilda ist wie eine Mutter für ihn. In seiner Verzweiflung ist er bereit, bis zum Äußersten zu gehen: Bei einem zweiten Besuch im Gefängnis nutzen die Männer einen unbeobachteten Moment, um Wagner zu zwingen, das Versteck preiszugeben; ein Gewaltakt, für den Brolls Freundin (Hilde Dalik) kurz drauf bitter büßen muss.
Die Besetzung des Gegenspielers mit Martin Wuttke ist ein kleiner Coup: Er verkörpert den manipulativen Verbrecher als sanften Unhold. Wagners Beteiligung an der Entführung steht außer Zweifel, zumal die Parallelen zwischen Tildas Schicksal und seinen Perspektiven nicht zu übersehen sind: Beide sind lebendig begraben. Die Freunde sind überzeugt, dass es Wagner irgendwie gelungen sein muss, das Gefängnis zu verlassen, aber die entscheidende Frage ist natürlich, ob sie es schaffen, Tildas Versteck zu finden, bevor sie verdurstet. Zum dramatischen Finale soll eine fragwürdige Finte dafür sorgen, dass Wagner das Versteck verrät.
Die Filme von Harald Sicheritz, der unter anderem diverse Episoden der Kultserie "Vorstadtweiber" gedreht hat, sind in der Regel stets sehenswert. Zu seinen letzten Arbeiten gehörte die Heimatgroteske "Sommernachtsmord"; der ORF-"Landkrimi" ist zwar bereits 2016 entstanden, war bei uns aber erst im Sommer 2022 zu sehen. Die Beiträge des Regisseurs zum "Tatort" aus Wien lagen gleichfalls über dem Durchschnitt.
In "Für immer tot" sorgt die energische Musik (Lothar Scherpe) mitunter allerdings für mehr Dynamik als die Inszenierung. "Broll + Baroni", eine Koproduktion mit dem ORF, klingt zwar nach einem Reihentitel, aber ob es weitere Filme mit dem Duo geben wird, ist fraglich; laut ZDF sind derzeit keine Fortsetzungen geplant. Das ändert sich vielleicht, wenn "Für immer tot" ein großes Publikum erreicht. Am Material soll’s nicht scheitern: Sicheritz’ Drehbuch basiert auf einer Vorlage seines österreichischen Landsmanns Bernhard Aichner.
Bislang gibt es vier Romane über die Abenteuer des Titelduos; "Für immer tot" war der zweite Fall. Mindestens so interessant wie das zentrale Duo ist Sabrina Amali als Tildas befreundete Kollegin; die Schweizerin mit marokkanischen Wurzeln glänzte zuletzt als Gegenspielerin des widerwilligen Helden in der jüngsten Episode der ARD-Reihe "Harter Brocken" ("Überlebenstraining"). Ebenfalls mehr als bloß eine Ergänzungsspielerin ist Valery Tscheplanowa als Barolis Freundin.