Vor ihrer Covid-19-Erkrankung führte Sandra Richter ein sehr aktives Leben. "Ich arbeitete bis zu 60 Stunden die Woche." Täglich ging sie bis zu zehn Kilometer mit ihren beiden Hunden spazieren, kümmerte sich mit ihrem Verlobten um das neue Haus und den großen Garten in Gommern in Sachsen-Anhalt. "In der übrigen Zeit traf ich Freunde oder ging zum Yoga-Kurs", sagt die 31 Jahre alte Lehrerin.
Dann steckte sie sich zweimal mit dem Coronavirus an. Die erste Ansteckung passierte Anfang Dezember 2021, eine weitere Ende Januar 2022. Beide Male verlief die Erkrankung wie eine Grippe. "Ich hatte weder Husten noch Schnupfen, nur Fieber. Bei der ersten Ansteckung litt ich zusätzlich unter Atemnot", sagt sie.
Nach der Erkrankung fing sie wieder zu arbeiten an, ging mit den Hunden spazieren. "Ich dachte, ich hätte es überstanden." Doch sie merkte schnell, dass etwas nicht stimmte. "Ich hatte Luftnot beim Unterrichten, Herzrasen und schwache Beine." Zu diesem Zeitpunkt ahnte sie noch nicht, dass sie Long Covid hatte.
Mediziner sprechen von Long Covid, wenn die Symptome der Erkrankung vier Wochen nach der Ansteckung anhalten. Als Post-Covid-Syndrom werden Beschwerden bezeichnet, die noch mehr als zwölf Wochen nach der Infektion vorhanden sind und nicht anders erklärt werden können. Laut Robert Koch-Institut (RKI) ist die Datenlage sehr lückenhaft. Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) zufolge betrifft Long Covid bis zu 15 Prozent aller Erkrankten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO zählt europaweit 17 Millionen Long-Covid-Fälle.
Ein kleiner Spaziergang - an guten Tagen
Im März brach Sandra Richter bewusstlos zusammen. Sie kam in die Notaufnahme. "Ich litt unter Muskelzuckungen, Sehstörungen, extremem Schwindel und schließlich an Krampfanfällen am ganzen Körper", berichtet sie dem Evangelischen Pressedienst. Sie sei dann in einem "katastrophalen Zustand" entlassen worden. "Ich erlitt einen Zusammenbruch beim Versuch, allein auf die Toilette zu gehen", erinnert sie sich. Ärzte rieten ihr, eine psychosomatische Klinik aufzusuchen.
Es geht Sandra Richter noch immer schlecht: "Ich schaffe es, mich alleine im Bad fertig zu machen und zu Hause frei zu bewegen." An einem guten Tag schaffe sie einen kleinen Spaziergang mit den Hunden und einen Arztbesuch, sie kann mittlerweile wieder lesen und kurz telefonieren.
Lernen, mit Kräften zu haushalten
Die Heidelberger Psychotherapeutin Bettina Grande hat schon viele Patienten betreut, die mit Long Covid oder Post Covid kämpfen. "Betroffene werden durch die Krankheit sozial isoliert. Das Pflegen von Beziehungen und Freundschaften wird schwierig", sagt Grande. Sie betont, dass es sich nicht um eine psychische, sondern um eine körperliche Erkrankung handle. Die Patienten müssten lernen, mit ihren wenigen Kräften zu haushalten, erklärt Grande.
Sandra Richter kämpft gegen eine Stigmatisierung von Long-Covid-Erkrankten. "Ich engagiere mich seit April im Rahmen der Kampagne 'nichtgenesen' auf Instagram und Twitter", sagt sie. Mithilfe engagierter Ärzte und Ärztinnen und Betroffener will sie die Politik zu einer Aufklärungskampagne bewegen.
Auch Claudia Ellert ist durch Covid-19 aus dem Leben gerissen worden. Die Gefäßchirurgin aus Wetzlar erkrankte im November 2020 an Corona. "Ich hatte einen milden Verlauf mit leichten Symptomen eines grippalen Infekts wie Husten und Gliederschmerzen", erinnert sie sich. Drei Wochen nach der Ansteckung wollte sie wieder arbeiten. "Nach zehn Tagen musste ich aufhören. Es war einfach zu anstrengend", sagt die 50-Jährige.
Auch in der Folgezeit litt sie unter anhaltenden Symptomen. Im Januar 2021 folgte dann die Diagnose: Long Covid. Mit weitreichenden Folgen. "Früher war ich Triathletin, heute kann ich kaum noch eine Stunde spazieren gehen", sagt die Ärztin. Sie arbeite wieder in ihrem Beruf, fühle sich aber durch die Erschöpfung sehr eingeschränkt.