Kinder sollten nach Überzeugung des Oldenburger Musikwissenschaftlers Gunter Kreutz bereits im Kindergartenalter mindestens 25 Lieder aus fünf unterschiedlichen Erdteilen lernen. So könnten sie mit Kulturgütern bepackt in die Grundschule kommen, sodass die Weichen für kulturelle Teilhabe und positive soziale Erfahrung gestellt seien, sagte der Professor an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg dem Evangelischen Pressedienst.
Darauf könne der Mensch ein Leben lang zurückgreifen. Selbst Menschen im fortgeschrittenen Stadium einer Demenz seien noch für Gesang erreichbar und erinnerten sich an einst gelernte Liedtexte.
Gemeinsames Singen habe eine integrierende Wirkung, betonte Kreutz. "Wir singen nicht um des Singens willen, sondern um der anderen Menschen willen", sagte er. Die Gesellschaft und die zwischenmenschlichen Verbindungen seien fragil, wie die Corona-Pandemie gezeigt habe. Nun ginge es darum, Strategien zu entwickeln, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.
Eine davon könne das gemeinsame Singen sein, das es historisch in allen menschlichen Kulturen gegeben habe. Chöre könnten mit familiären Verbünden verglichen werden, sagte er. Viele Menschen blieben ihnen über Jahrzehnte treu.
Der Musikwissenschaftler kritisierte, dass Chorsingen nicht allen Menschen gleichermaßen offenständen. "Die Chöre in Deutschland sind Mittelstands-Enklaven", sagte Kreutz. Nicht-Akademiker oder arbeitslose Menschen kämen im organisierten Chorwesen kaum vor. Auch für Menschen mit Migrationsgeschichte sei der Zugang zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten nicht einfach. "Wir haben lange gebraucht, um zu realisieren, dass wir eine Einwanderungsgesellschaft sind. In den Chören ist das noch längst nicht angekommen."
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