In der Manufaktur für die Herrnhuter Sterne herrscht Hochbetrieb, nicht nur jetzt in der Adventszeit: "Wir produzieren das ganze Jahr", sagt Geschäftsführer Oskar Scholz. Und auch die Schauwerkstatt im ostsächsischen Herrnhut ist zu allen Jahreszeiten für Besucherinnen und Besucher geöffnet. Seit 125 Jahren entsteht hier der berühmte Weihnachtsschmuck für den Verkauf und in Handarbeit - das wird 2022 gefeiert.
"Zuvor waren die Herrnhuter Sterne eine private Bastelei", erzählt Scholz, "viele Menschen stellten sie zu Hause her und verschenkten sie." Die ersten Exemplare bastelten Internatsschüler der evangelischen Brüdergemeine, einer Freikirche, Anfang des 19. Jahrhunderts. Ein Mathematiklehrer wollte ihnen am praktischen Beispiel geometrisches Verständnis vermitteln.
Die Gründung der Herrnhuter Manufaktur geht auf den Buch- und Musikalienhändler Pieter Hendrik Verbeek (1863-1935) zurück, der in seinem Geschäft 1897 die ersten Exemplare verkaufte. Das "Stammhaus" gibt es noch immer, und nach wie vor werden dort Sterne angeboten.
Die ersten "Herrnhuter" hatten rote und weiße Zacken - weiß stand für die Reinheit und rot für das Blut Christi. Heute gibt es die Sterne in unterschiedlichen Farben und Größen, mit Mustern und Drucken, aus Papier oder Kunststoff. Rund 700.000 werden jedes Jahr verkauft. Herrnhuter Sterne hängen in der ganzen Welt, in den USA, Kanada, Island oder Schweden. Seit einiger Zeit bieten die Sternemacher außerdem jährlich limitierte Auflagen mit bis zu 1500 Stück an. "Wir sind bunter geworden, wagen auch mal etwas Außergewöhnliches", sagt Scholz.
Regelsortiment und Sondereditionen
In diesem Jahr gibt es in der "Edition Natur" einen violetten Stern mit Blumen namens "Kapmargerite". 2021 wurde eine Sonderauflage mit grünen "Weinlaub"-Sternen herausgebracht. Allein das reguläre Sortiment der Papiersterne umfasst fünf Größen zwischen 13 und 80 Zentimetern Durchmesser in verschiedenen Farben. Hinzu kommen Ministerne in Plastik und Kunststoffsterne für den Außenbereich. "Wir arbeiten an den Designs, damit der Stern attraktiv bleibt", sagt Scholz.
Ganz neu sind Unikate aus Kleisterpapier. Auch die kommen auf dem Markt an: Die letzten Exemplare in Rubinrot der Sonderedition 2022 mussten Anfang Oktober unter der Kundschaft ausgelost werden. Die Kleistertechnik hat in Herrnhut Tradition: Im 18. Jahrhundert wurden damit Bucheinbände, Dosen und Schachteln verziert. Für die Muster wird eine Farbmasse auf Papier aufgebracht und kunstvoll verstrichen.
Behindertenwerkstätten sind beteiligt
Verbeek hatte 1925 das Patent für den original "Herrnhuter" angemeldet. Bis heute hat der Stern 25 Zacken - 17 viereckige und acht dreieckige. Wie einst werden sie von Hand gefaltet, geleimt, geklebt - täglich Tausende Exemplare. Für die Kunststoffzacken der Draußen-Version gibt es Maschinen.
Die dazugehörigen Lichtkabel werden zum Teil in den Herrnhuter Werkstätten für behinderte Menschen montiert. Für den Geschäftsführer des Unternehmens mit christlicher Tradition ist dies Verpflichtung und Auftrag: "Es soll nicht nur auf Gewinnmaximierung geachtet werden, sondern dass wir Menschen Anteil nehmen lassen, die sonst nicht so am Markt sind", sagt Scholz.
Von den Lausitz bis in die Ukraine
Auch in der DDR-Zeit wurde der beliebte Advents- und Weihnachtsstern aus der Lausitz produziert und exportiert. 1991 kam dann der Neustart - als Herrnhuter Sterne GmbH mit 23 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Heute sind rund 200 Frauen und Männer in der Manufaktur beschäftigt.
Unlängst hat Scholz einen Stern in Gelb-Blau fertigen lassen. Ein Ukraine-Stern? Der Geschäftsführer verneint: "Wir machen keine Ländersterne", sagt er. "Und politisch sind wir schon gar nicht." Gelb und Dunkelblau - das seien die Farben der Oberlausitz. Zwar habe es Nachfragen zu Ukraine-Sternen gegeben. Aber die Manufaktur wolle keine Länder hervorheben.
Trotzdem besteht eine besondere Verbindung in die Ukraine, in das vom Krieg gezeichnete Land: Für die Sophienkathedrale in Kiew fertigte die Manufaktur 2014 einen Herrnhuter Stern. "Mit einem Durchmesser von 1,90 Meter ist er eine Sonderanfertigung", sagt Verkaufsleiter Jens Ruppert. Genauso groß sei auch der "Herrnhuter", der in der Advents- und Weihnachtszeit über der Kuppel der Dresdner Frauenkirche leuchtet. Und sogar im Bundeskanzleramt verbreitet er adventliche Stimmung: Der 2,50 Meter große Herrnhuter Stern, der 2010 dort erstmals aufgehängt wurde, ist ein XXL-Exemplar. Laut Ruppert gibt es davon weltweit nur knapp ein Dutzend.