Frau Matthias, Sie arbeiten als Energieberaterin. Gefühlt braucht gerade die ganze Welt Ihre Dienste, oder?
Julia Matthias: Die Situation ist echt grenzwertig und die Arbeitsbelastung riesig. Wir existieren als Firma seit elf Jahren, aber was gerade passiert, ist Wahnsinn. Noch vor drei Jahren haben wir in Siedlungen geklingelt und an den Türen gefragt: Guten Tag, am Ende der Straße sanieren wir gerade. Möchten Sie sich das vielleicht einmal anschauen? Jetzt haben wir seit drei Monaten einen Neukundenstopp und sind rappelvoll mit Aufträgen. Wir holen uns Studenten von der Uni und bilden die während ihres Studiums schon zu Energieberatern aus, damit wir sie gleich nach ihrem Abschluss einstellen können.
Sie sind im Kirchenvorstand. Sehen Sie als Energieberaterin auch in der eigenen Kirchengemeinde Verbesserungsbedarf?
Matthias: Na klar, immer. Erst neulich musste ich dazu diskutieren: Wir haben in unserem Gottesdienstraum große Ringleuchter, allesamt mit Glühbirnen ausgestattet. Genau 144 Stück mit je 40 Watt - ich habe sie beim letzten Gottesdienst gezählt. Ein Wahnsinn! Wenn man die gegen LED tauscht, spart das 90 Prozent der Energie, in unserem Fall 1000 Euro pro Jahr.
Viele Kirchengemeinden mit ihren riesigen, oft unsanierten Gebäuden ächzen aktuell unter den hohen Energiekosten. Wie können sie konkret Energie sparen?
Matthias: Grundsätzlich hat man vielerorts schon vor Jahren Energiegutachten erstellt. Aber die sind dann leider in der Schublade verschwunden. Eine neue Heizungsanlage ist oft sinnvoll, klar. Aber damit spart man im Verhältnis zum Aufwand gar nicht so viel. Eine Dämmung wäre ein viel einfacherer Schritt. Einfach Wolle ins oberste Geschoss legen - das kostet wenig und könnte oft unglaublich viel bringen. Und warum haben viele Fenster eigentlich keine oder eine kaputte Dichtung? Die auszutauschen, damit könnte man in vielen Gemeinden anfangen.
Auch in Ihrer Kirchengemeinde haben Sie eine Beratung durchgeführt. Was wird dort künftig anders?
Matthias: Unser Gemeindehaus in Rotenburg heizen wir noch mit Gas, manches andere ist auch nicht mehr auf neuestem Stand. Lange Zeit war ein Neubau geplant, nun wird doch eine Sanierung stattfinden. Wir tauschen zunächst die Fenster im Gemeindesaal aus. Das sind riesige Glasflächen, bislang nur einfach verglast.
Und was wird aus der Heizung?
Matthias: Eine Überlegung war die Wärmepumpe. Für Einfamilienhäuser ist sie ideal: niedrige Vorlauftemperaturen, meist eine Fußbodenheizung, gut gedämmt, dazu ein Dach für eine Photovoltaik-Anlage. Man produziert keine Abgase, braucht keinen Schornstein mehr und kann fast autark leben. Ich berate Privatkunden dazu fast täglich. Als Kirche haben wir uns dennoch dagegen entschieden. Das Wirkprinzip einer Wärmepumpe ist es, vereinfacht gesagt, träge und langsam zu heizen. Unsere Räume sind aber vier Meter hoch und höher - die brauchen schnell viel Wärme und werden meist relativ kurz genutzt. Da braucht es eine andere Technik.
Und zwar?
Matthias: Wir werden jetzt ein Hybridsystem bekommen: Eine Brennstoffzelle, kombiniert mit einer Gastherme. Das ist ein Pilotprojekt, für alle - nicht nur für uns als Kirche. Die Brennstoffzelle sorgt für die Grundlast, ähnlich wie eine Wärmepumpe. Für Übergangsphasen haben wir einen Pufferspeicher, damit wirklich nur an ganz kalten Tagen die Gastherme läuft. Die heizt Räume schnell auf und deckt so die Spitzen ab.
Sie heizen also doch weiter mit Gas - wo ist denn da der Vorteil für das Klima und den Geldbeutel?
Matthias: Es stimmt, dass die Brennstoffzelle aus Erdgas Wasserstoff gewinnt, aber das passiert ohne Verbrennung, es werden also keine Stick- und Schwefeloxide und keine Partikel freigesetzt. Wir würden auch diesen Schritt gern einsparen und sie direkt mit Wasserstoff befüllen, aber hier in Deutschland ist es - anders als etwa in Schweden - noch gar nicht möglich, Wasserstoff zu tanken.