Der lettische Präsident Egils Levits spricht sich für die Errichtung eines internationalen Sondertribunals aus, um den russischen Angriff auf die Ukraine völkerrechtlich zu untersuchen. "Juristisch ist dies möglich, man braucht nur den politischen Willen dazu", sagte Levits am Sonntag bei der Gedenkstunde des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge zum Volkstrauertag in Berlin. Es sei eine "Lücke des Völkerrechts", dass bislang kein internationales Gericht zuständig sei, um einen völkerrechtswidrigen Angriff auf einen souveränen Staat zu untersuchen.
Der lettische Präsident forderte zudem die Ausarbeitung rechtlicher Wege, um im Westen eingefrorenes russisches Vermögen für den Wiederaufbau in der Ukraine einzusetzen. "Das wäre nur ein selbstverständlicher Ausdruck einer elementaren Gerechtigkeit", sagte Levits im Bundestag.
"Ohne eine auf dem Völkerrecht basierende Friedensordnung würde die Welt wieder in eine kriegerische Anarchie verfallen", warnte Levits und sprach von einem russischen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine, der Parallelen zum deutschen Nationalsozialismus im Zweiten Weltkrieg habe. Der Ukraine werde ihre Existenzberechtigung abgesprochen und damit die Auslöschung des Staates begründet.
Levits würdigte in seiner Rede die deutsch-lettische Freundschaft und nannte die deutsche Vergangenheitsbewältigung ein "globales Vorbild". Diese sei bestimmt gewesen von einer tiefen Reue für die Verbrechen der Nationalsozialisten und dem moralischen Imperativ des "Nie wieder". Ohne die Auseinandersetzung mit der Geschichte wären der Aufbau eines demokratischen Staates und die Gründung der Europäischen Union unmöglich gewesen.
Auch der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Wolfgang Schneiderhan, verurteilte Russland scharf. Dessen Ziel sei die Auslöschung der Ukraine. Doch in dem Krieg gehe es nicht nur um die Ukraine, "sondern um unser alle Freiheit". "Wenn ein Aggressor erfolgreich ist, plant er weitere Eroberungen", sagte der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr.
Am Volkstrauertag zwei Wochen vor dem ersten Advent gedenkt Deutschland der Toten von Krieg und Gewaltherrschaft. Vor 100 Jahren, im Jahr 1922, fand im Deutschen Reichstag in Berlin die erste offizielle Feierstunde zu einem Volkstrauertag statt. Die Initiative kam vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der einen Tag zur Erinnerung an die Kriegstoten des Ersten Weltkrieges angeregt hatte. Seit mehreren Jahrzehnten ist das Gedenken auch geprägt vom Blick auf gegenwärtige Konflikte und Kriege sowie dem Gedanken der Völkerverständigung.
Das Totengedenken im Bundestag sprach am Sonntag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. "Wir trauern mit allen, die Leid tragen, um die Toten, und wir teilen ihren Schmerz", sagte er und fügte hinzu: "Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern. Und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt."