Die Weltkirche brauche eine radikale Abkehr vom kapitalistischen Wirtschaftssystem, den Triebkräften des Wachstums und des Profits, anstatt kosmetischer Reformen, sagte der Theologe Andar Parlindungan. Wünschenswert sei eine Wirtschaft, in der das Gemeinwohl und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen im Mittelpunkt stehe. Gemeinsam mit dem Netzwerk "Kairos e.V." fordert der Pastor dass die globalen Kirchen der globalen Klimabewegung "Fridays for Future" eine Stimme geben solle. Das Ziel: Systemwechsel, nicht Klimawandel! ("System Change, not Climate Change")
Um das Überleben aller Lebewesen zu sichern, müsse auch im globalen Süden wahrer Frieden und soziale Gerechtigkeit hergestellt werden. "Für Länder, die die Bitterkeit des Kolonialismus erlebt haben, sollten Klimawandel und Friedensethik nicht nur ein westlich dominierter Diskurs sein." Sondern man solle sich gemeinsam auf den Weg machen und der Norden müsse auch die Demut aufbringen, zuzuhören und zu lernen.
Der Pastor zitierte aus dem "World Inequality Report" von 2022: demnach halten zehn Prozent der Weltbevölkerung 75 Prozent des gesamten Vermögens und die zehn Prozent seien auch für die Hälfte aller Kohlstoffemissionen verantwortlich. Das stelle eine "enorme Ungerechtigkeit" dar, sagte Parlindungan, der auch im Mitglied des Vorstands der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) ist.
Den globalen Süden treffe der Klimawandel am stärksten. "Indigene Völker werden aufgrund ihrer Abhängigkeit und Verbundenheit mit der Umwelt und den natürlichen Ressourcen als erste mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert." Im Kern gehe es nicht nur um den Ausstieg aus der fossilen Produktionsweise, sondern es gehe um die Überwindung der "imperialen Lebensweise" und um ein grundlegend anderes Wirtschaftssystem, sagte er auf der EKD-Synode.
Als Beispiel für die massive Ausbeutung und Zerstörung der Umwelt als Lebensgrundlage der Menschen nannte der Pastor das Gebiet am Toba-See in Nordsumatra in Indonesien. Dort hätten die Menschen ihr Land durch Landraub verloren, den Regierungen und Investoren mit Hilfe militärischer Repressionen betrieben hätten, um große Tourismuszentren wie in Monaco und Las Vegas zu bauen. Westliche Touristen würden zwar ihr Geld in Indonesien ausgeben, aber es werde keine Gerechtigkeit und Frieden im Land zur Folge haben. Denn nun sei das Land durch Erdrutsche und Überschwemmungen bedroht. Viele fühlten sich als Knechte für die Investoren und Touristen. Während Orang Utan und das Trinkwasser verschwänden.
Konsum als Folge der Habgier
Jahrzehntelang stand in der ökumenischen Bewegung laut Parlindungan die Bewahrung der Schöpfung und die Ökotheologie auf der Tagesordnung. Nur geändert habe sich wenig, resümiert der Pastor. Trotz aller theologischen Einsicht hätte sich die Verkündigung und die ethische Reflexion nur auf den Menschen und seine Bedürfnisse konzentriert. Die Konzentration auf den Konsum sei eine Folge des Stolzes, der Habgier, derer sich Menschen vor allem in den nördlichen Hemisphären schuldig machten. Und man habe sich nicht genug mit der Eigenverantwortung auseinandersetzt. Nun brauche es die eigene Initiative, um "in der Kraft des Heiligen Geistes an einer Heilung der Schöpfung" mitzuwirken. Es brauche "eine ökologische Umkehr", eine Veränderung des Herzens, des Verstandes und der täglichen Gewohnheiten mit Auswirkungen auf alle Aspekte des christlichen Lebens. Auch in Liturgie und Gottesdienst, in Spiritualität und letztlich auch im Klimastreik.
Bislang seien solche Diskussionen nur Teil der elitären Ebenen der Kirche, aber in den Gemeinden fehle das ökologische Bewusstsein noch. Auch in Indonesien. Die Liturgie sei zu sehr auf den Himmel ausgerichtet. Wie könne es sein, wenn Milliarden für die Raumfahrt und das Militär aufgewendet werden, dass der tägliche Energiebedarf nicht gedeckt werden könne. Was für ein Gottesbild ist vorherrschend, wenn Menschen Krieg um Öl führen?
Pastor Parlindungan verweist auf die Philosophie aus den Upanischaden, einer Sammlung aus dem Hinduismus, dass man sich von übertriebenen Aktionen befreien solle, um gute Taten zu sammeln, damit gute Wirkungen entstünden. Wie im Gleichnis von Jesus und Martha seien Menschen heute berufen das Gottesabbild in sich zu erkennen und die von Gott erschaffene Erde "für alle Geschöpfe" als "zukunftsfähiges Lebenshaus" zu bewahren.