"Man sollte sie nicht nur entfernen, sondern radikal vernichten, zerstören und kaputt machen", sagte Meister am Sonntagabend in der Marktkirche in Hannover. Dies sei der richtige Umgang mit einer fehlgeleiteten, vernichtenden Ästhetik. Meister reagierte damit auf den Vorschlag des Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, derartige Skulpturen ins Museum zu stellen. Beide diskutierten am Vorabend des Reformationstages bei der Veranstaltung "Was gesagt werden muss. Judentum und Reformation".
Der Wittenberger Gemeindekirchenrat hatte am vergangenen Dienstag nach jahrelangem Streit beschlossen, dass die judenfeindliche Schmähplastik aus dem Mittelalter an Martin Luthers Predigtkirche nicht entfernt werden, sondern als Mahnstätte und Lernort erhalten bleiben soll. "Als wenn wir sonst nicht genug Lernorte hätten", kommentierte Meister diese Entscheidung.
Der leitende Theologe sagte, er habe seinerzeit die Bemühungen um eine Kontextualisierung der Wittenberger "Judensau" inklusive einer erklärenden, distanzierenden Texttafel für "sehr plausibel" gehalten. Inzwischen habe er seine Meinung aber geändert. "Ich habe mit vielen Jüdinnen und Juden gesprochen, die das Relief weiterhin unerträglich finden."
Felix Klein hatte sich zuvor in seinem Impulsvortrag skeptisch gegenüber einem "Bilderverbot" gezeigt. Zudem sollten nicht Gerichte über diese Frage entscheiden - wie im Falle von Wittenberg der Bundesgerichtshof. Dieser hatte im Juni geurteilt, dass die "Judensau" trotz des antijüdischen Inhalts an seinem historischen Ort verbleiben kann, da die Distanzierung der Gemeinde ausreichend sei.
Klein argumentierte hingegen, die Wittenberger Tafel von 1988 setze zu viel Wissen voraus und sei heute nicht mehr allgemein verständlich. Er hoffe auf einen gesamtgesellschaftlichen Dialog, wie er in einem ähnlichen Fall in Regensburg gelungen sei. "Gebieten es nicht allein Moral und Anstand und Rücksicht auf die Empfindungen der Geschmähten, beleidigende und schmähende Darstellungen zu entfernen?", fragte der Beauftragte der Bundesregierung.
"Geschichte kann nicht entsorgt werden"
Unterdessen bekräftigte der Direktor der LutherMuseen, Stefan Rhein, sein Votum für einen Verbleib des "Judensau"-Reliefs an der Wittenberger Stadtkirche. "Geschichte kann nicht entsorgt werden", sagte Rhein dem Magazin "Zeitzeichen" in einem am Montag online veröffentlichten Interview: "Das Relief abzunehmen, macht nichts besser."
Die Gemeinde in Wittenberg habe sich vor allen anderen in Deutschland mit dem Schandmal beschäftigt und die damit verbundene Schuld sichtbar gemacht, sagte Rhein: "Es gab hier schon 1988 eine Ausstellung über jüdisches Leben und Antisemitismus in Wittenberg zur Zeit des Nationalsozialismus." Daher dürfe man diese Gemeinde, die sich dieser Schuld unter schwierigen politischen Vorzeichen gestellt hat, nicht auf die Anklagebank setzen.
Der Antisemitismus-Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Staffa, bezeichnete das Relief als "Kirchensau". Emotional sei "eigentlich klar, dass sie weg muss. Intellektuell ist es aber so, dass man sich mit diesen Abgründen auch bildhaft beschäftigen muss", sagte Staffa dem Online-Portal "Die Eule" (Montag): "Da die Darstellung aber so obszön und gotteslästerlich ist, habe ich schon immer für eine Verhüllung plädiert."
Staffa: "Wo ich bekenntnishaft agieren würde: Ich will die Sau nicht im Museum haben, weil ich sehr entschieden dafür bin, dass die Verbindung zum Kirchlichen bleiben muss, sonst stehlen wir uns aus der Verantwortung."
Das als "Judensau" bekannte Sandsteinrelief wurde um das Jahr 1290 an der Südfassade der Stadtkirche Wittenberg angebracht. Die Schmähplastik zeigt eine Sau, an deren Zitzen sich Menschen laben, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Schweine gelten im Judentum als unrein.