Junge Menschen brauchen Raum, und zwar nicht nur in Gemeindehäusern und Jugendzentren. Auch in politischen Strukturen und bei wegweisenden Entscheidungen. Und auch in der Kirche. In der evangelischen Kirche gibt es deswegen Strukturen von, für und mit junge(n) Menschen, die über Jahrzehnte gewachsen sind und sich Jugendpolitik groß auf die Fahne schreiben. Dabei geht es darum, dass junge Menschen mitbestimmen können, wie Kirche aussieht. Denn auch wenn die meisten Kirchenmitglieder in Deutschland mit der Institution Kirche vor allem ihre Gemeinde, ihre Pfarrer:in und den hohen Kirchturm im Ort verbinden, ist Kirche auch hochpolitisch.
Kirche und Politik? Bitte nicht vermischen! Das ist eine immer wieder kehrende Forderung vieler Menschen. Kirche ist aber nicht nur eine gesellschaftliche Entität, sondern hat auch in sich politische Strukturen. Die Evangelische Kirche in Deutschland ist beispielsweise demokratisch und parlamentarisch organisiert. Dabei ist aber nicht jedes Gremium jugendfreundlich oder ehrenamtsfreundlich. Beispielsweise Ämter in der Kirche in denen Termine nur tagsüber möglich gemacht werden, komplizierte und akademische Sprache an der Tagesordnung ist, Tagungsorte nicht mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sind und Wahlperioden sechs Jahre lang sind. Sechs Jahre können für viele Menschen eine sehr lange Zeit sein. Bis zu diesem Zeitpunkt kann sich das ganze Leben verändert haben.
Diese Struktur in den Landeskirchen wurde von Erwachsenen für Erwachsene entwickelt. Oft ist es so: Nur wenn junge Menschen sich ihre Plätze, Stimm- und Rederechte erkämpfen, werden in die Strukturen aufgenommen. Das kann unter anderem daran liegen, dass die Menschen, die in Entscheidungspositionen sitzen, gar kein Verständnis für jugendpolitische Arbeit haben. Jugendarbeit ist aber mehr als Jungschar und Mundorgel und an vielen Stellen kompetent und politisch organisiert.
Auch das Selbstverständnis der Evangelischen Jugendpolitik ist ein demokratisches und auch sie ist parlamentarisch organisiert. Der Dachverband in Deutschland ist dabei die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e. V. (aej) und repräsentiert die Evangelische Jugend auf Bundesebene. Aber auch jede Landeskirche hat eine Evangelische Jugend, die auf einer überregionalen Ebene die Interessen der jungen Menschen in den einzelnen Gemeinden vertritt.
Divers, politisch, am Zeitgeist
Die Strukturen der einzelnen Landeskirchen sind jedoch sehr unterschiedlich. Da durchzublicken, kann herausfordernd sein. Grundlegend ist festzustellen: Die parlamentarische Organisation beginnt auf Gemeindeebene und geht weiter über das Dekanat, den Kirchenkreis, das Presbyterium bis hin zur Landessynode und zur Kirchensynode. Damit soll sichergestellt werden, dass Kirche partizipativ ist. Zu fast jedem dieser Parlamente gibt es einen Vorstand, der die Versammlungen vorbereitet und die Geschäfte führt. Diese Strukturen laufen - vereinfacht gesagt - parallel für Erwachsene in der Kirche und ein weiteres Mal für junge Menschen in der Kirche.
Jugendpolitische Arbeit ist schon immer mit ihren Jugendlichen gewachsen. Die Evangelische Jugend in Deutschland ist divers, politisch breit aufgestellt und mit ihren Themen am Zahn der Zeit. So hat die Evangelische Jugend im Rheinland viel zum Boykott der WM in Katar erarbeitet, die Evangelische Jugend in Hessen und Nassau hat sich für das Thema der Mentalen Gesundheit während Corona stark gemacht und die Evangelische Jugend von Westfalen hat eine Veröffentlichung zum Thema Queer gemacht.
Diese Arbeit ist nur möglich, weil die Evangelische Jugend parlamentarisch organisiert ist. In Gemeinden gibt es Jugendkreise, Jugendvorstände und Jugendausschüsse. Und auch in der nächsthöheren Ebene gibt es Jugendvorstände, die in jeder Landeskirche ein wenig anders organisiert sind. Auch auf landeskirchlicher Ebene unterscheiden sich die Organisationsformen stark. Von Jugendsynode bis zum eingetragenen Verein. Sie funktionieren alle unterschiedlich. Ihr gemeinsamer Nenner ist aber: Sie sind von ehrenamtlichen, evangelischen Jugendlichen organisiert und arbeiten an einer jugendlichen Vision von Kirche. Ein junger Mensch ist man dabei rechtlich bis zum 27 Lebensjahr. Die Evangelischen Jugenden arbeiten dabei nicht nur an Themen, die ihnen wichtig sind, sondern auch bürokratisch. Sie bearbeiten Förderungen, Zuschüsse, Regelungen, Kirchenordnungen und -gesetze. Sie kümmern sich darum, dass Ämter besetzt werden und Stellen geschaffen und besetzt werden. Sie organisieren Freizeiten, Podiumsdiskussionen, Demonstrationen und Versammlungen. Die Arbeit in Evangelischen Jugenden ist vielfältig und verbindet.
Die Floskel "Die Jugend ist die Zukunft der Kirche" kann also in die Realität umgesetzt werden. Aber nur, wenn das auch gewollt ist.