Derzeit schreibt Wallraff an seiner Autobiografie. Der Kölner wurde mit seinen Rollen als Gastarbeiter Ali und als Hans Esser bei der "Bild"-Zeitung zu Deutschlands bekanntestem Undercover-Journalisten. Am Samstag (1. Oktober) wird er 80 Jahre alt.
Er sei von Natur aus ein eher unruhiger Mensch, sagte der Autor. Täglich erreichten ihn Mails und Anrufe, oft Hilferufe, in denen ihm von Missständen berichtet werde. "Ich kann nicht einfach sagen: Ich kann ich nichts machen. Kann ich ja manchmal doch noch."
Risiko habe für ihn auch in seinen Rollen immer eine Rolle gespielt. "Es kann vorkommen, dass ich mich mit etwas so identifiziere, dass ich alles riskiere. Und unter Umständen auch bereit bin, mein Leben aufs Spiel zu setzen."
Günter Wallraff hatte in seinen Recherchen als Gastarbeiter "Ali" die Diskriminierungen und das Arbeitsleben im Stahlwerk Thyssen und bei McDonalds publik gemacht und später auch eine Stiftung gegründet. Honorare überwies er auch schon mal an Betroffene, die ihren Job verloren haben. Er schlüpfte in viele Rollen, vom Waffenhändler bis zum Obdachlosen oder Arbeiter in einer Großbäckerei - er hatte viele Lebenswirklichkeiten durchleuchtet. Durch seine scharfe Kritik an Arbeitgebermethoden, musste er sich oft juristisch verteidigen. Seine Recherche-Methode wurden international bekannt. Im Schwedischen gibt es sogar ein Wort für die Under-Cover-Recherche: "wallraffing".
Die härteste Kritik hatte Wallraff seinen Worten zufolge seine Rolle als Schwarzer eingetragen. Vor 15 Jahre wurde ihm deswegen "Blackfacing" und kulturelle Aneignung vorgeworfen. Das Grundanliegen der sogenannten Identitätspolitik sei "berechtigt und überfällig", sagte er. Doch es gebe "bestimmte Lager, die sich im Besitz der absoluten Wahrheit wähnen und keine Differenzierungen mehr zulassen - sie schaffen oft neue Gräben und Grenzen", warnte Wallraff.