TV-Tipp
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3. Oktober, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Das Weiße Haus am Rhein"
Der mit Stars gespickte Zweiteiler "Das Weiße Haus am Rhein" handelt von dem Spross einer angesehenen Hotelierfamilie in der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg.

Wie gut sich ein Hotel als Schauplatz für wechselvolle Zeitläufte eignet, hat unter anderem das ZDF mit dem Dreiteiler "Das Adlon" bewiesen: Die 2013 ausgestrahlte Familiensaga nutzte die weltberühmte Herberge im Herzen Berlins, um die gesamte Geschichte des letzten Jahrhunderts erzählen. Gemessen an der mit Stars gespickten Event-Produktion wirkt "Das Weiße Haus am Rhein" eine Nummer kleiner. Dirk Kämper (Buch) und Thorsten M. Schmidt (Regie) beschränken sich auf die Zeit zwischen den zwei Weltkriegen und verknüpfen den historischen Rahmen mit individuellen Geschichten.

Hauptfigur des Zweiteilers ist ein junger Mann, der 1918 seelisch versehrt in sein Elternhaus zurückkehrt. Emil Dreesen (Jonathan Berlin) ist Spross einer angesehenen Hotelierfamilie. Das 1894 eröffnete "Weiße Haus", eins der ersten deutschen Grandhotels, befindet sich jedoch auf der linken und demnach "falschen" Rheinseite, hier haben sich die Franzosen eingenistet.

Emil macht den Besatzern ein Angebot, mit dem beide Seiten gut leben können, und will das etwas verstaubte Luxushotel mit Schwung und der Unterstützung durch seine weltoffene Großmutter (Nicole Heesters) in die neue Zeit führen. Schwester Ulla (Pauline Rénevier) ist Feuer und Flamme, die Eltern (Benjamin Sadler, Katharina Schüttler) sind schockiert: Auf der Bühne im Park wird Jazz gespielt, im Ballsaal ergötzt sich das Publikum an verruchten Darbietungen.

Gewisse Parallelen zu "Babylon Berlin" sind sicherlich kein Zufall. "Das weiße Haus am Rhein" ist zwar alles andere als ein Krimi, aber Kämpers Drehbuch setzt durchaus auf ähnliche Spannungsmomente: Emil wird von einem Soldaten (Hendrik Heutmann) aus seiner Einheit erpresst, weil er einen Vorgesetzten erschossen hat; der lebensmüde Offizier wollte seine Truppe in den sicheren Tod führen. Später kann der Juniorchef seinerseits einem SS-Sturmbannführer trotzen: Fotos zeigen den Faschisten mit kleinen Jungs; manchmal wandelt der Film nah an der Kolportage.

Weitaus interessanter ist die Verknüpfung von Familien- und Zeitgeschichte, zumal Kämper mit Hilfe der Dreesens einen typischen Generationenkonflikt erzählt: Emil steht für die Zukunft, seine Eltern für die Vergangenheit. In dieser Konstellation liegt die Tragik des Dramas: Die Zeit ist noch nicht reif für die Zukunft. Während im "Weißen Haus" gegenüber vom Drachenfels die wilden Zwanziger gefeiert werden, wettert im nahen Bad Godesberg der örtliche Polizeichef (Werner Wölbern) als Braunhemd gegen Sodom und Gomorra, muss aber zu seiner Verblüffung feststellen, dass das Hotel Dreesen unter einem ganz besonderen Schutz steht.

Trotz der Dauer von 180 Minuten ist der Film dank seiner Handlungsfülle ausgesprochen kurzweilig. Andererseits hat die große Dichte zur Folge, dass historische Ereignisse bloß angerissen und viele Szenen episodisch aneinander gereiht werden. Mitunter fehlt auch die Zeit für Zwischentöne, weshalb einige Figuren etwas undifferenziert wirken: die hartleibige Mutter, der nationalkonservative Vater, die freigeistige Schwester, die sich von einem schwarzen Franzosen schwängern lässt und zum Entsetzen ihrer Familie einen knuffigen kleinen Jim Knopf zur Welt bringt.

Bei anderen passen die Facetten nicht recht zusammen: Emils Kriegskamerad Robert (Jesse Albert) wäre bereit, sein Leben für den Freund zu geben, ist aber gleichzeitig ein Vergewaltiger. Natürlich schließt das eine das andere nicht aus, aber hier wirkt es unstimmig. Emil wiederum verliebt sich in das Zimmermädchen Elsa (Henriette Confurius), eine glühende Kommunistin, die für die völlige Gleichberechtigung kämpft und nicht zögert, hinterrücks einen französischen Offizier abzuknallen, als der sich an eine Kollegin ranmacht. Ihre Nachfolgerin in Herz und Bett wird die Französin Claire (Deleila Piasko), der Star der Bühnenshows.

Auch bei der Umsetzung halten sich große Momente und kleine Unstimmigkeiten die Waage. Es gibt eine grandiose Parallelmontage, als Schmidt aus der mitreißenden Cabaret-Vorführung im Hotel sowie einer durch Kommunisten gestörten Versammlung der Faschisten plus anschließender Verfolgungsjagd eine im selben Rhythmus gestaltete Bilderfolge macht. Eine andere Szene las sich im Drehbuch bestimmt originell, funktioniert im Film jedoch nur bedingt: Adolf Hitler war gern und oft im Dreesen, Charlie Chaplin ist ebenfalls dort abgestiegen. Dass beide quasi Tür an Tür übernachtet haben, ist zwar nicht verbürgt, aber eine nette Drehbuchidee. Damit hat sich Kämper allerdings nicht begnügt: Der begnadete Komödiant erfindet ausgerechnet mit den Frühstücksresten des späteren "Führers" seinen durch "Goldrausch" (1925) berühmt gewordenen Brötchentanz, während Hitler nebenan vor dem Spiegel gestenreich eine Rede probt.

Die Besetzung ist wenig überraschend, dafür sind die Mitwirkenden ausnahmslos ausgezeichnet. Jonathan Berlin macht seine Sache ähnlich fabelhaft wie in "Die Freibadclique" und "Kruso" (2017/18), Henriette Confurius ist sehenswert wie stets, und die Schweizerin Deleila Piasko hat schon in Leander Haußmanns "Stasikomödie" (2022) für die Glanzpunkte gesorgt.

Die Bildgestaltung (Felix Cramer) ist formidabel und preiswürdig, auch die Ausstattung (Pierre Pfundt) ist wie im Grunde in allen öffentlich-rechtlichen Produktionen dieser Art vorbildlich. Umso bedauerlicher, dass Regie und Redaktion einige sprachliche Fehler überhört haben: Als die Franzosen deutsche Industrieanlagen demontieren, spricht Elsa von "Reparaturen" (gemeint sind Reparationen); und dass in historischen Werken regelmäßig der Modernismus "alles gut" erklingt, ist ein ständiges Ärgernis. Die ARD zeigt beide Teile am Stück sowie um 23.35 Uhr eine Dokumentation über das Rheinhotel Dreesen.