Beladenes Containerschiff fährt auf der Elbe Richtung Nordsee.
© evangelisch.de/Mechthild Klein
Die Situation für Seeleute auf Containerschiffen ist seit zwei Jahren dramatisch. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Gewerkschaft ver.di. (Symbolbild)
Gewerkschaft und Seemannsmission
Dramatische Missstände auf Containerschiffen
Bei Kontrollen in deutschen Häfen an Nord- und Ostsee sind Gewerkschafter auf massive Missstände an Bord von Seeschiffen hinsichtlich der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Besatzungen gestoßen. Auch die Seemannsmission beklagt eklatante Mängel.

Bei Kontrollen in deutschen Häfen an Nord- und Ostsee sind Gewerkschafter auf massive Missstände an Bord von Seeschiffen hinsichtlich der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Besatzungen gestoßen. "Die von uns aufgedeckten Missstände waren noch nie so schlimm wie in diesem Jahr", erklärte am Wochenende Susana Pereira-Ventura aus dem ver.di-Bereich Internationale Maritime Wirtschaft mit Sitz in Berlin. Ganz offensichtlich seien die Interessen der Seeleute in den mehr als zwei Jahren Corona-Pandemie vielfach vernachlässigt worden.

"Wir haben zahlreiche Hinweise auf doppelte Buchführung über Löhne und Überstunden, nicht ausbezahlte Löhne, verweigerte Landgänge, schlechte Verpflegung und Unterkunft und weitere Verstöße gegen das Seearbeitsübereinkommen erhalten", sagte die Gewerkschafterin und ergänzte: "Auf einem Schiff liefen sogar Kakerlaken überall herum." Zwar habe es auch Schiffe gegeben, auf denen alles in Ordnung gewesen und die Besatzung gut behandelt worden sei. Aber das seien nur wenige gewesen.

Die Kontrollen liefen im Rahmen der diesjährigen Aktionswoche "Baltic Week" vom 5. bis 9. September. Inspektoren der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) besuchten in diesen Tagen in den Seehäfen von Bremen, Bremerhaven, Brake, Hamburg, Rostock, Wismar und Lübeck rund 60 Schiffe. Dabei wurden den Angaben zufolge mehr als 100 Verstöße gegen internationale Standards festgestellt.

Reeder ignorieren internationale Vorschriften und Tarifverträge

"Es kann nicht sein, dass Reeder internationale Vorschriften und Arbeitsvereinbarungen sowie Tarifverträge ignorieren - und zwar aus reiner Profitgier", kritisierte Pereira-Ventura, die das ITF-Vertragsbüro Deutschland leitet. Um dem ein Riegel vorzuschieben, seien dringend mehr und bessere Kontrollen nötig. Hier seien die Hafen- und die Flaggenstaaten, und zwar sowohl die Billig- als auch die nationalen Flaggen, in der Verantwortung.

Auch der Generalsekretär der Deutschen Seemannsmission Matthias Ristau kritisierte die Situation der Seeleute an Bord: Die Pandemie sei für die Seeleute noch längst nicht vorbei. "An Land sind die Beschränkungen aufgehoben, aber für die Seeleute bleibt es weiterhin eingeschränkt. Das liegt zum Teil an Regierungen, zum anderen an Reedereien", sagte der evangelische Pastor. Gerade habe er von einer Kollegin aus Panama gehört, dass eine große europäische Reederei gesagt habe: "in Lateinamerika gibt es keinen Landgang".

In Brasilien sei es ähnlich. Touristen könnten ohne Corona-Regeln einreisen, Seeleute dürften "nur mit PCR-Test an Land". Das sei "faktisch ein Verbot des Landgangs", der für die Seeleute so wichtig sei. Seeleute auf den Weltmeeren sind oft Wochenlang an Bord. Und Brasilien ist nach den Worten Rüstaus kein Einzelfall. Da gäbe es viele andere Regierungen.

Reedereien verbieten Landgang für Seeleute

In der Pandemie und während des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine habe die Seemannsmission Reeder und Mitarbeitende von Reedereien erlebt, die sehr engagiert für die Seeleute da seien. Leider gebe es aber auch die anderen Fälle, sagte Rüstau. "Es gibt eine Reihe von Reedereien, die Landgang prinzipiell verbieten." Und er höre auch von Fällen, in den Reedereien nicht wollten, dass ihre Seeleute geimpft werden. Oder Reedereien, "die gerade extrem gut verdienen und weiter bei den Seeleuten sparen". Überall sind Seeleute bis jetzt von der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine betroffen.   

Die Deutsche Seemannsmission ist eine diakonische Einrichtung der Evangelischen Kirchen und ist in 16 Stationen in Deutschland für Seeleute da. Außerdem engagiert sich die Seemannsmission in 15 internationalen Häfen. Sie bieten Aufenthaltsräume mit WLAN in großen Häfen, versorgen die Seeleute dort mit dem nötigsten, verkaufen Telefonkarten, bieten Hilfe in Notsituationen an. Sie sind Teil eines globalen Netzwerks, das mit 48 Kirchen in ca. 560 Stationen weltweit tätig ist.