Ein fröhlicher, ungezwungener Mensch, stets ein Lächeln um die Lippen und Schalk in den Augen: So behielt die Welt den Seelsorgerpapst Johannes Paul I. (1912-1978) in Erinnerung, der die katholische Kirche nur 33 Tage lang führte. Ein Papst, der seine eigene Unsicherheit eingestand und doch zum Glauben ermutigen konnte, ein Petrus mit menschlichem Gesicht. Der plötzliche Tod des 66-Jährigen im Herbst 1978 versetzte nicht nur den Katholiken einen Schock. Am Sonntag trägt Papst Franziskus den beliebten Vorgänger in das Buch der Seligen ein.
Geboren wurde er vor fast 110 Jahren, am 17. Oktober 1912, als Albino Luciani. "Auch ich bin der Sohn eines italienischen Gastarbeiters", so begann der damalige Kardinal von Venedig 1975 eine Predigt im Mainzer Dom. Zu Hause im kleinen Canale d'Agordo, einem Gebirgsdorf in der Nähe der Dolomiten, herrschte bittere Armut. Die kargen Äcker gaben wenig her, und der Vater ging nach Frankreich, Deutschland und in die Schweiz, um das Brot für die achtköpfige Familie zu verdienen.
Der kleine Albino galt als abenteuerlustig, einfallsreich und hilfsbereit. Der Vater, Sozialist und Gewerkschafter, aber nicht radikal antikirchlich eingestellt, wird nicht schlecht gestaunt haben, als ausgerechnet dieser Junge von den Fastenpredigten eines Kapuziners schwärmte und verkündete, so ein Priester wolle er auch werden.
Mit elf Jahren kam er ins Seminar. Kaum 23-jährig, wurde Albino Luciani zum Priester geweiht, um dann die typische kirchliche Karriere zu machen: ein paar Jahre Kaplan, Theologiedozent am Priesterseminar, nebenher Weiterstudium und Promotion in Rom, Sekretär einer interdiözesanen Synode, Generalvikar, mit 46 Jahren Bischof des kleinen Bistums Vittorio Veneto am Rand der Alpen.
Patriarch liebte Gemeinschaft
1969 wechselte er als Patriarch nach Venedig. Aber auch als Bischof blieb Luciani im Grunde immer einer von den kleinen Leuten: Er benutzte öffentliche Verkehrsmittel und liebte es, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Die Ferienvilla des Patriarchats benutzte er nie, sie war ihm zu einsam gelegen. Stattdessen fuhr er zur Erholung in ein Südtiroler Servitenkloster, wo er wandern und bergsteigen konnte und in der Dorfwirtschaft nette Leute traf, mit denen er Boccia spielte.
Bei der Papstwahl 1978 entschied sich das Konklave der Kardinäle schon am ersten Wahltag für den außerhalb Italiens so gut wie unbekannten Seelsorgerbischof von Venedig. Luciani wurde als Kompromisskandidat gewählt, weil sich die Exponenten des eher liberalen Flügels der italienischen Kardinäle und der stark konservativen Fraktion gegenseitig blockierten. Als der Venezianer seinerseits den brasilianischen Bischof Aloisio Lorscheider, einen charismatischen Vertreter der "Kirche der Armen" und mutigen Kritiker staatlicher Willkür, zur Wahl vorschlug, flogen ihm zudem die Sympathien der Entwicklungsländer zu.
Johannes Paul I. sprach ungekünstelt
Anders als alle seine Vorgänger in der jüngsten Kirchengeschichte hatte Papst Johannes Paul I. allerdings keine Kurienerfahrung und war nie Diplomat im päpstlichen Dienst gewesen. Er schaffte den geschraubten "Wir"-Stil in seinen Ansprachen ab und sagte einfach "ich".
Bei den wenigen Audienzen seiner Amtszeit sprach er einfach wie ein Landpfarrer. "Gott lieben heißt mit dem Herzen eine Reise zu Gott machen", sagte er den Pilgern in seiner letzten Generalaudienz am Tag vor seinem Tod. "Eine wundervolle Reise. Als Junge war ich von den Reisen begeistert, die Jules Verne beschrieb. Aber die Reisen zu Gott sind viel spannender."
Das war am Mittwoch, 27. September 1978. Am Freitag, 29. September, in der Morgendämmerung fand eine Nonne des päpstlichen Haushalts den Heiligen Vater tot auf seinem Bett, die Hand zur Faust verkrampft, Schmerz im Gesicht - Herzinfarkt, sagten die Ärzte. Der Tod sei vermutlich gegen 23 Uhr am Vortag eingetreten. Das Licht brannte noch. Die Schriftstücke, die neben dem Papst lagen, befassten sich mit dem Banken- und Finanzskandal, in dem der Vatikan damals steckte.