Die Menschen in Deutschland blenden derzeit nach Erkenntnissen des Psychologen Stephan Grünewald den Krieg in der Ukraine aus. Nach einer anfänglichen "Schockstarre", Solidaritätsbekundungen und einer großen Spendenbereitschaft versuchten sie sich etwa mit Sport, Yoga oder mentalem Training selbst zu stärken, sagte Grünewald am Donnerstag beim "Moveo". Zudem legten sie großen Wert auf Harmonie in persönlichen Beziehungen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
"Die Deutschen befinden sich derzeit in einer neuralgischen Übergangsphase", sagte der Bestsellerautor und Mitbegründer des Kölner "rheingold"-Instituts, das auf Tiefeninterviews zur Erforschung von Einstellungen und Meinungen spezialisiert ist. Sie wüssten zwar, dass sie aufgrund von Energieknappheit, Lieferengpässen und hoher Inflationsrate "einen entbehrungsreichen Winter" vor sich hätten, feierten aber, als ob es kein Morgen gäbe. "Sie wollen die Probleme noch nicht an sich ranlassen", sagte Grünewald.
Mut mache, so der Psychologe, dass die Menschen in der gegenwärtigen Lage ihre Begrenztheit erführen und demütig würden. Die Erkenntnis mache sich breit, dass sie angesichts der drei parallel verlaufenden Krisen Corona, Ukraine-Krieg und Klima sowohl den Staat als auch andere Menschen zur Daseinsbewältigung brauchten. Sie hätten Lust auf neue "Werte- und Sinngemeinschaften", betonte Grünewald.