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Am 21. August 2022 erinnern Teilnehmer der Kundgebungstour vor dem Rathaus, Neuer Markt in Rostock an die rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen vor 30 Jahren. Am 27. August fanden weitere Demonstrationen im Stadtteil statt.
Gedenken an Pogrom in Rostock
3.600 Menschen demonstrieren gegen Rassismus
30 Jahre nach den rassistisch und fremdenfeindlich motivierten Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen haben sich an gleicher Stelle mehrere Tausend Menschen zu einer Gedenkveranstaltung getroffen. Die Betroffenen von einst standen dabei im Fokus.

Im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen sind am Sonnabend mehrere Tausend Menschen zum Gedenken an die rassistisch und fremdenfeindlich motivierten Ausschreitungen vor 30 Jahren zusammengekommen. Die Polizei Rostock sprach zur Auftaktkundgebung von rund 3.600 Teilnehmenden, die Veranstalter schätzten die Zahl nach Beginn des Demonstrationszuges auf 10.000. Viele junge Familien nahmen teil, aber auch ältere Menschen waren anwesend. Verschiedenste Gruppen von "Jugendliche ohne Grenzen" bis hin zu "Omas gegen Rechts" reisten eigens an.

Auch ein "Schwarzer Block" hatte sich formiert, trat aber zunächst nicht negativ in Erscheinung. Zahlreiche Rostocker Vereine beteiligten sich ebenfalls. Die Veranstaltung stand unter dem Titel "Erinnern heißt verändern", aufgerufen hatte das Bündnis "Gedenken an das Pogrom. Lichtenhagen 1992".

Auftaktkundgebung und Demonstrationszug starteten friedlich, die Polizei sprach von keinen besonderen Vorkommnissen. Seyhmus Atay-Lichtermann, Vorsitzender des Migrantenrats Rostock, sagte im Rückblick auf die Ausschreitungen in Lichtenhagen, Politik, Polizei und weitere Verantwortliche hätten damals versagt. Die Erinnerung an das Pogrom müsse wachgehalten werden, um erneute Anschläge zu verhindern. Menschen müssten sich entschieden gegen Rassismus, Antiziganismus, Islamophobie stellen.

Junge Frau erkennt Alltagsrassismus

Eine junge, in Deutschland geborene Frau vom Verein "Diên H?ng - Gemeinsam unter einem Dach", den vietnamesische Betroffene nach den rassistischen Ausschreitungen 1992 in Lichtenhagen gegründet hatten, berichtete Persönliches: Sie habe nie Probleme damit gehabt, laufend von Menschen gefragt zu werden, woher sie komme. Erst vor einem Jahr habe sie die Frage verstanden und damit den Rassismus erkannt: Sie sehe nicht deutsch aus, weshalb sie für die Fragestellenden nicht deutsch sei.

Die vorgesehene Demonstrationsroute verlief durch die Rostocker Stadtteile Lichtenhagen und Lütten Klein. Teilnehmende sangen, tanzten, klatschten. Insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund riefen, zumeist auf Englisch, Botschaften wie "Kein Rassismus" oder "Abschiebungen stoppen". Drei Zwischenkundgebungen standen an, bei der ersten war es laut Polizei so voll, dass für dort geplante Reden zum Ort des zweiten Zwischenstopps verlegt werden mussten.

Die Abschlusskundgebung sollte am "Sonnenblumenhaus" stattfinden, dem elfstöckigen Plattenbau-Gebäude, in dem sich damals die Aufnahmestelle für Asylsuchende befunden hatte und an dem die Ausschreitungen vor 30 Jahren ihren Lauf nahmen.

Vom 22. bis zum 26. August 1992 gab es im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen schwere rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Ausschreitungen. Im Verlauf der vier Tage gerieten dabei 150 Menschen in akute Lebensgefahr, nachdem ein Wohnhaus ehemaliger vietnamesischer DDR-Vertragsarbeiter in Brand gesetzt worden war. Mehr als 200 Polizisten wurden verletzt, einer davon schwer.