Sie wirkt etwas verloren, die Glocke aus der Essinger Wendelinuskapelle mit ihren Hakenkreuzen darauf, wie sie auf einer Euro-Palette im Gang des Kellergeschosses steht. Neben ihr reihen sich Schwergewichte auf langen Regalreihen: Brunnenschalen, Kanonenkugeln, Steinskulpturen, ein Taufstein, beschädigte jüdische Grabsteine.
Das "Sonderdepot für Steindenkmäler" ist nur einer von -zig Lagerräumen im Sammlungszentrum des Historischen Museums der Pfalz, wie es auf der gelb-roten Klinkerfassade der ehemaligen Baumwollspinnerei im Westen Speyers heißt. 1986 wurde die Hälfte des Gebäudes von der Stiftung des Museums erworben und zum Depot mit Werkstätten umgebaut. Seit 2014 gehört der Stiftung das ganze Gebäude. Mieter sind unter anderem die Generaldirektion Kulturelles Erbe und das Bistumsarchiv Speyer.
Auf rund 440.000 Exponate schätzt Ludger Tekampe, Sammlungsleiter Volkskunde, Weinmuseum und Neuzeit, den Gesamtbestand des Museums. 95 Prozent davon lagern im Depot auf einer Fläche von rund sechs Handballfeldern - Tendenz steigend. Nur rund 2.000 Ausstellungsstücke sind am Domplatz zu sehen. "Ich lehne auch Anfragen ab", sagt Tekampe. Denn mit der zehnten Windfege, einem alten Werkzeug zur Getreidereinigung, sei der Erkenntnisgewinn auch nicht höher.
Im sogenannten Depot 1, einer Halle mit blauen Eisenträgern und -säulen, schlägt dem Besucher warme Luft entgegen. "Nur das Fotoarchiv ist klimatisiert", sagt Tekampe. Museen, die Räume klimatisierten, stünden angesichts steigender Energiekosten vor einem Riesenproblem. Schäden habe er in den letzten 35 Jahren in Speyer nicht beobachtet, sagt Tekampe und zeigt zwei Figuren aus Holz.
Die Büste des Königs David und eine Statue des heiligen Georg, um 1480 entstanden, stammen aus der Kirche in Rhodt unter Rietburg und kamen 1901 in die Sammlung. Die mittelalterlichen Farben sind gut erhalten. "In Kirchen sind solche Figuren oft irgendwann übermalt worden", sagt Tekampe. Die kleinen Wurmlöcher machen ihm keine Angst. Vor dem Einlagern werden Objekte geprüft, mit Hitze gegen Schädlinge behandelt. "Früher wurde das gesamte Depot mit Methylbromid geflutet, das machen wir nicht mehr."
Manche Objekte harren noch auf ihren Einsatz. Der Friedelsheimer Pfarrstuhl soll demnächst die Ausstellung "Luther, die Protestanten und die Pfalz" bereichern. Die Funktion des Gestühls aus Holz, das vage an einen Beichtstuhl erinnert, aber oben offen ist, ist nicht 100-prozentig geklärt. Vermutlich zog hier der Pfarrer seinen Talar an, sagt Tekampe. Möglich ist auch, dass er gut betuchten Gemeindemitgliedern als Rückzugsort diente, um der Predigt zu lauschen.
Auch die Essinger Glocke soll mit einer Erklärtafel Teil der Ausstellung werden. Manche Stücke im Depot bleiben bewusst beschädigt. So ist das riesige Gemälde des bayerischen Königs aus dem Regierungspräsidium Speyer ein Zeitdokument. 1921 hatten es Demonstranten von der Wand gerissen. Grund war das Attentat von Rechtsterroristen auf Matthias Erzberger.
Luthergemälde bleibt zerschnitten
Auch die Schnitte im Lutherbild eines unbekannten Künstlers gleich daneben werden nicht geflickt. Die Legende, amerikanische Soldaten hätten Luther im März 1945 mit Hitler verwechselt, bezweifelt Tekampe.
Langfristiges Ziel ist die Digitalisierung des gesamten Bestands, ein Riesenunterfangen. Im Grafikdepot hat eine Gruppe Ehrenamtlicher schon wertvolle Hilfe geleistet.
Noch ein "weitgehend ungehobener Schatz" sind laut Tekampe die Glasnegative im Fotoarchiv. Die Bilder ab dem späten 19. Jahrhundert - obwohl schwarz-weiß - halfen bei der Restaurierung der Deckengemälde in der Dreifaltigkeitskirche. Ein Wettlauf mit der Zeit. Denn die Säure im Kleber der Pergamentpapiertütchen, die die Fotoplatten umhüllen, sind Gift für die historischen Aufnahmen.