Die russisch-orthodoxe Kirche ist nach Ansicht der Osteuropa-Expertin Regina Elsner in der Ökumene nicht isoliert. Auch auf der bevorstehenden Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe werde der Dialog mit anderen Kirchen weitergehen, sagte die katholische Theologin vom Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) in Berlin.
Wegen des Moskauer Patriarchen Kyrill I., der als enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin gilt und Russlands Vorgehen in der Ukraine unterstützt, war wiederholt der Ausschluss seiner Kirche aus dem Weltkirchenrat gefordert worden.
Ein Argument gegen einen Ausschluss der russisch-orthodoxen Kirche aus der Gemeinschaft von 352 Kirchen mit über 580 Millionen Christen sei, dass man damit auch "alle anderen Kirchen, die zu deren Territorium zählen, mit ausschließen würde", sagte Elsner. Zum Moskauer Patriarchat gehören auch Kirchen in der Ukraine, Belarus, Kasachstan, Moldau, den baltischen Staaten und Zentralasien sowie viele Gläubige in Westeuropa und Nordamerika.
Es sei eine "Tradition aus dem Kalten Krieg, dass gerade die ökumenischen Gespräche dazu dienen, dass sich Christen, etwa aus Russland, einmal freier im ökumenischen Kontext austauschen können", fügte Elsner hinzu: "Diese Möglichkeit möchte man auch jetzt nicht nehmen, auch wenn die jeweiligen Kirchenleitungen Dinge tun und sagen, die man eigentlich nicht unterstützen will". Allerdings, so Elsner, werden Kirchenvertreter, die theologisch frei reden wollen und eine andere Meinung als ihre Kirchenleitungen haben, nicht in der Delegation für Karlsruhe sein.
Strategisch wichtig, dabei zu sein
Sie glaube nicht, dass es zu einem Ausschlussverfahren kommen wird, "weil ich den Eindruck habe, dass nach wie vor die Mehrheit des ÖRK für einen Dialog eintritt", sagte Elsner. Bei anderen brennenden Themen wie der Christenverfolgung sei die russisch-orthodoxe Kirche außerdem gerade bei den Kirchen des globalen Südens ein zentraler Partner geworden.
Auch einen Austritt der russisch-orthodoxen Kirche aus dem Weltkirchenrat hält Elsner "für sehr unwahrscheinlich". Für die russisch-orthodoxe Kirche sei es "strategisch wichtig, im Weltkirchenrat zu sein". Dort habe sie Gelegenheit, "ihre eigene Glaubensvorstellung zu verbreiten, für ihre Weltsicht zu werben und Netzwerke zu pflegen".
Dialog und Konfrontation möglich
Ihrer Einschätzung nach werden die Orthodoxen auf der ÖRK-Vollversammlung sehr geschlossen auftreten, so Elsner. Die Russisch-Orthodoxen gehören dem Weltkirchenrat seit 1961 an. Sie sind die größte Mitgliedskirche.
Die rund 20-köpfige russisch-orthodoxe Delegation - Kyrill wird in Karlsruhe nicht erwartet - hat Elsner zufolge "sicherlich schon eine gewisse Strategie" für den Ökumene-Gipfel vom 31. August bis 8. September. Sie werde wohl betonen, dass auch sie den Frieden wolle. Das werde schwer angreifbar sein. Doch bestehe die Chance, sie in Karlsruhe mit der Lage in der Ukraine und vor allem der Wahrnehmung der ukrainischen Gläubigen zu konfrontieren.