Wie ein Astronaut verschwindet Jesus in den Wolken - auf einem mittelalterlichen Bild in der Kathedrale von Ribe in Dänemark wird sehr anschaulich, was unter "Christi Himmelfahrt" zu verstehen ist: Während sich der Himmel öffnet, stehen die Jünger auf der Erde und blicken staunend nach oben, wo nur noch die Füße ihres Herrn zu sehen sind.
"Aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes", erklärt das apostolische Glaubensbekenntnis den Verbleib von Jesus Christus. Das Gebet bezieht sich auf die Apostelgeschichte, in der erzählt wird, wie der Gekreuzigte 40 Tage nach seiner österlichen Auferstehung vor den Augen seiner Jünger direkt zu Gott in den Himmel aufgehoben wurde. An diesen Tag im Kirchenjahr erinnert Christi Himmelfahrt, vielerorts finden Gottesdienste unter freiem Himmel in Parks, im Wald und auf Bergen statt.
Die unendliche Weite über den Wolken
Was in der Bibel und in der christlichen Kunst so handgreiflich geschildert wird, mutet aus heutiger Sicht sehr altertümlich an. Denn nicht erst seit die bemannte Raumfahrt den Orbit erkundet hat, weiß man, was über den Wolken ist: unendliche Weite. Während der Himmel jahrtausendelang als Dach der Erde galt, als Wohnsitz der Götter, als ewige Herrlichkeit, als paradiesische Heimat der Verstorbenen, als festgefügter Platz, an dem der Schöpfer die Gestirne aufgehängt hat, folgte seit der kopernikanischen Wende die nüchterne Erkenntnis, dass der Weltraum eine unermessliche kosmische Wüste ist. Die Sterne, so hat es der Philosoph Hegel formuliert, seien nur "unverarbeitete Roheit", "Lichtausschlag am Himmel".
"Fest und schützend war der Himmel, steinern, kristallin", schreibt der Gießener Soziologe und Theologe Reimer Gronemeyer in seinem neuen Buch "Der Himmel" (Pattloch-Verlag, München 2012) über das Lebensgefühl früherer Zeiten. Mit Blick auf die moderne Astrophysik beschreibt Gronemeyer das neue Himmelsgefühl: "Heute ist er ins Unendliche verflüssigt, eine flexible Größe nahezu. Und ein Symbol für die entgrenzte Heimatlosigkeit des Menschen im All." Die Menschen haben den Himmel verloren.
"Ohne ihn können wir nicht leben"
Trotzdem können wir ohne den Himmel nicht leben, sagt Gronemeyer. Der Himmel gelte den Menschen auch heute noch als Sehnsuchtsort - trotz des naturwissenschaftlichen Wissens um die Leere des Kosmos, um die alles verschlingenden "Schwarzen Löcher". Himmelssehnsucht sei "die Sehnsucht nach Sinn, nach Gerechtigkeit, nach Wahrheit, nach Erlösung, nach Trost, nach Leben, das über den Augenblick hinausreicht", urteilt Gronemeyer.
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Er proklamiert ein Himmelsbild, das Sinn stiftet, ohne Fesseln anzulegen. Aber er sagt auch: "Der Himmel ist ein Geheimnis. Der Sinn der Geheimnisse besteht nicht darin, dass wir sie verstehen, sondern dass wir sie bewohnen."
Dass viele Theologen heute nur abstrakt und symbolisch vom himmlischen Jenseits reden, ist nach Ansicht des katholischen Theologen Bernhard Lang (Paderborn), der ein Buch über "Himmel und Hölle" (C.H. Beck, München 2003) und eine "Kulturgeschichte des ewigen Lebens" (1990) veröffentlichte, nicht verwunderlich. Im Jahr 1961 habe der Jesuit Karl Rahner das Verbot aufgestellt, vom Jenseits zu reden, und die meisten Theologen hätten sich daran gehalten.
Keine Angst vor dem Jenseits
"Früher war der Theologe ein Fachmann für Himmelsfragen, heute ist das nicht mehr so", sagt Lang. Konkrete Aussagen über den Himmel sind auch für ihn tabu, aber "immerhin gibt es eine einzige Aussage, die den Kern des christlichen Glaubens betrifft: Es gibt keinen Grund, sich vor dem Jenseits zu fürchten. Symbole wie Licht, Wärme, Heimkehr weisen darauf hin. Gott ist gnädig - auch solchen, die es eigentlich nicht verdienen".