Auf stolze 24.000 Euro beliefen sich zuletzt die jährlichen Betriebskosten für Heizung, Strom, Wasser in der Dreifaltigkeitskirche in Worms - und zwar, bevor Ukraine-Krieg und Wirtschaftssanktionen die Energiepreise förmlich explodieren ließen. Dabei hatten sich die evangelischen Wormser Innenstadtgemeinden aus Energiespargründen schon vor Jahren zu einer "winterlichen Gottesdienstgemeinschaft" zusammengeschlossen.
Weil ein Ende des Preisanstiegs nicht abzusehen ist, heißt es in der größten protestantischen Kirche der Lutherstadt während der kalten Jahreszeit künftig: Wollsocken überziehen. Man habe beschlossen, dass die Grundtemperatur durchgehend bei neun Grad bleiben solle, berichtet Gemeindepfarrer Volker Johannes Fey.
Nicht nur normale Bürger und Unternehmen machen sich aktuell Gedanken darüber, wie sie angesichts der Situation auf den Energiemärkten noch durch die Wintermonate kommen. Für die Kirchen ist die Frage von besonderer Brisanz: In den oft hoch aufragenden Gebäuden steigt die Wärme nach oben.
Entsprechend lange dauert es vielerorts, bis Gottesdienstbesucher unten in den Sitzbänken überhaupt einen Effekt der Heizung spüren. Viele Sakralbauten werden, wenn überhaupt, nur einmal in der Woche genutzt. Der Wechsel zwischen regelmäßigem Hochfahren der Heizungsanlage und anschließendem Abkühlen bis zum nächsten Wochenende kann aber auf Dauer die Orgeln schädigen.
Sparen auf die Schnelle
In der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) entfallen drei Viertel der verbrauchten Heizenergie auf Gas, was sich in der aktuellen Krise als besonders problematisch herausstellt. Auch, wenn es für den Austausch von Heizungsanlagen bis zum kommenden Winter schon zu spät ist, könnten einige Sparmaßnahmen noch immer getroffen werden, wirbt Kathrin Saudhof, Klimaschutzreferentin am Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN in Mainz. Gemeinden sollten jetzt die Nachtabsenkung ihrer Heizungsanlagen in den Gemeindehäusern richtig einstellen und hydraulische Abgleiche vornehmen lassen: "Das ist etwas, was man noch im Sommer regeln könnte."
Kirchen befassen sich mit dem Thema Energiesparen nicht erst im Zusammenhang mit dem befürchteten russischen Gas-Lieferstopp. Die EKHN beispielsweise verabschiedete "Richtlinien für die Beheizung von Kirchen" bereits 1979. Sonntags und bei Gottesdiensten sei die Raumlufttemperatur auf 15 Grad zu begrenzen, heißt es in dem noch heute gültigen Regelwerk. "Diese Temperatur darf keinesfalls überschritten werden." In der Praxis, erzählt eine Pfarrerin, hätten sich in der Vergangenheit viele ihrer Kollegen und deren Gemeinden daran aber nicht gehalten - aus Angst, ihre Gottesdienstbesucher mit Eiseskälte zu vergraulen.
"Gezielt wärmen" statt zentral heizen
Möglicherweise müssen sich in der aktuellen Energiekrise die Gläubigen auch anderswo darauf besinnen, dass geheizte Kirchen ursprünglich gar nicht vorgesehen waren. Im Gegenteil: In ländlichen Gegenden mit historischen Dorfkirchen seien zentrale Heizungen bis heute tatsächlich "sehr selten", teilt die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz mit: "Es gibt dort gelegentlich elektrische Unterbankheizungen (S-Bahn-Heizkörper) oder beheizte Sitzkissen, die nur die Besucherinnen und Besucher der Gottesdienste gezielt wärmen."
Dass Kirchen ohne Heizung auskommen, ist kein auf ostdeutsche Dörfer beschränktes Phänomen: Selbst der majestätische Kölner Dom hat noch nie eine Heizungsanlage besessen. Dort wurde es in manchem Winter schon so kalt, dass das Weihwasser gefror.
Aktuell appelliert auch die pfälzische Landeskirche in einem Rundschreiben an die Gemeinden, Heizungen auch im Winter möglichst ganz ausgeschaltet zu lassen. "Wir sind da einfach verwöhnt", bringt Fey in Worms es auf den Punkt. Allerdings ist seine Dreifaltigkeitskirche nicht nur Gottesdienstort, sondern bietet auch eine der wichtigsten Bühnen für Konzerte in der Stadt. Frierende Streichorchester mit klammen Fingern - das könnte problematisch werden, räumt der Pfarrer ein.
Und auch der vielerorts bereits seit Jahren über die Wintermonate praktizierte Wechsel der sonntäglichen Gottesdienstbesucher ins Gemeindehaus wird dieses Mal schwieriger: Denn ganz so eng beieinander möchte die Gemeinde in Zeiten von Covid-19 möglichst auch nicht mehr sitzen.