"Im Zirkus rede ich nicht nur von Vertrauen, sondern ich erlebe es", sagt Bettina Braun. Seit 2014 ist sie für die "Christliche Zirkusschule" der "Kirche unterwegs" des Vereins Bahnauer Bruderschaft in Weissach im Tal (Rems-Murr-Kreis) im Einsatz. Rund 100 Zirkuswochen hat sie in dieser Zeit begleitet.
Zu den bewegendsten Momenten gehört für Bettina Braun, wenn manches Kind zum ersten Mal in seinem Leben Applaus bekommt: "Wir wollen Kinder stark machen." Wenn sie Kindern vermitteln will, dass alle Menschen einander brauchen, zeigt sie das am liebsten mit einer Pyramide. Dann sagt sie zu den aufgereihten Kindern: "Stellt euch vor, der rechts unten hat plötzlich keine Lust mehr."
Im Zirkus finde jeder seine Rolle, ist sie überzeugt. Das kann ein Kind mit einem Handicap sei oder ein Flüchtlingskind, das noch Probleme mit der Sprache hat. Auch Jungs, die sich einmal beweisen wollen, sind begeistert dabei, steigen in die Schwerterkiste oder stehen auf Scherben. "Auch das Jonglieren mit dem Diabolo ist ein großes Thema für Jungs, die sind oft richtig gut." Braun kommt nicht mit einem fertigen Programm in eine Kirchengemeinde, Schule oder einen Kindergarten: Die Kinder entscheiden selbst, was sie üben und am Ende in einer Zirkusgala oder einem Gottesdienst präsentieren möchten.
Kein US-Import
Wer hat's erfunden? Die Idee zur Christlichen Zirkusschule ist kein USA-Import, sie ist eine Eigenerfindung von "Kirche unterwegs". Jonglieren und andere Elemente gehörten bei den mehrwöchigen Einsätzen der Teams auf Campingplätzen schon immer dazu. Dann kam eine Zirkuspädagogin, Clownin und Diakonin zum Team und entwickelte ab 2011 das Konzept, gemeinsam mit Diakon Manfred Zoll. Weil mit ihm und Bettina Braun gleich zwei "Zirkusdirektoren" zur Verfügung stehen und das Material doppelt vorhanden ist, kann es Zirkuswochen an zwei Orten gleichzeitig geben.
Das reicht an gefragten Ferienterminen noch immer nicht, um alle Anfragen zu befriedigen. "Wiederholungstäter" sind häufig: "Bei manchem Veranstalter war ich schon dreimal", sagt Braun. Bei der Freien Evangelischen Schule in Esslingen am Neckar, berichtet sie, gehöre die Christliche Zirkusschule inzwischen fest dazu. "Jedes Grundschulkind soll dort in den vier Jahren einmal den Zirkus erlebt haben."
Vom Zirkus zur Bibel
Anhand der verschiedenen Arbeitshilfen kann eine Kirchengemeinde, eine Schule oder ein Kindergarten die Zirkusschule auch alleine organisieren. "Aber 80 bis 90 Prozent laden Manfred Zoll oder mich ein." Die 225 Euro pro Tag, die der Veranstalter inklusive Material bezahlen muss, sind nicht kostendeckend. Möglich werden sie durch Spenden und einen Zuschuss der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. So ist Württemberg ein Schwerpunkt der Christlichen Zirkusschule, doch sie arbeitet bundesweit. Und darüber hinaus: Braun wurde schon mehrmals nach Liechtenstein geholt.
Brauns erklärende Standardrolle im Zirkus ist der "Artur". "Ich brauche zumindest eine Anna", sagt sie - das ist ihr jugendliches Gegenüber. Ideal sei, wenn der Veranstalter noch drei bis vier Kinder habe, die eine Geschichte aus der Bibel spielen können. Falls nicht, muss eben "Artur" alleine erzählen.
Der Bezug vom Zirkus zur Bibel liegt für Braun auf der Hand. "Bei allem, was mit Balance zu tun hat, braucht es einen festen Orientierungspunkt. Es macht einen Unterschied, wo ich hinblicke. Ich erzähle dann gerne von Petrus, der auf Jesus schaut und übers Wasser geht."
Zur Zielgruppe gehören Kinder bis zur sechsten Klasse, inzwischen gibt es auch ein angepasstes Programm für Kindergartenkinder. Mitmachen kann jeder, auch Mitarbeiter brauchen keine Zirkuserfahrungen. "Bei der Schulung, vier bis sechs Wochen vorher, frage ich immer, wer schon etwas kann. Da sagen viele, 'ich kann nichts'." Manche Veranstalter bekämen keine Mitarbeiter für eine ganze Woche zusammen. "Dann bieten wir auch nur zwei Tage an." Zirkus sei "ein Wert an sich", sagt Braun. "Das hat mit Lebensfreude zu tun. Da muss man manchmal gar nicht viel reden."