Manchmal dauert es länger, bis die menschenverachtende Wirkmächtigkeit von alten und bekannten Schmähplastiken an der eigenen Kirche ins Bewusstsein dringen. Und so hat sich die Kirche in Wittenberg jetzt entschieden, dass der Beleidigung aller Juden und ihres Glaubens ein deutlicher und sichtbarer Ausdruck für die christliche Abkehr von Judenfeindlichkeit entgegengesetzt werden soll. Im Prozess der Neugestaltung sei dem Gemeindekirchenrat wichtig, wie Juden dieses Schandmal erlebten und wie aus ihrer Sicht eine angemessene Neukonzeption der Stätte der Mahnung aussehen könnte.
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom Juni darf das als Wittenberger "Judensau" bekannte Sandsteinrelief aus dem 13. Jahrhundert zwar an seinem bisherigen Ort bleiben. Die vorangegangene Verhandlung sowie die öffentliche Debatte darum hätten jedoch klargemacht, "dass eine deutlichere Distanzierung der Kirchengemeinde vom Antisemitismus der Plastik nötig ist", erklärte der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates, Jörg Bielig.
Der Text auf der Erklärungstafel vor der Kirche werde neu gefasst. Auch ein Ortswechsel der Plastik und eine Integration in ein Mahnmal werde von der Kirchengemeinde nicht mehr ausgeschlossen.
Der Bundesgerichtshof hatte entschieden, dass das Sandsteinrelief weiter an der Stadtkirche der Lutherstadt verbleiben darf. Isoliert betrachtet verunglimpfe die Schmähplastik zwar das Judentum als Ganzes. Dieser Zustand sei durch die beklagte Kirche jedoch durch das Anbringen einer Bodenplatte und eines Aufstellers mit der Aufschrift "Mahnmal an der Stadtkirche Wittenberg" beseitigt worden.